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Brief (Transkript)

Karl Nünnighoff an seine Eltern am 1.11.1941 (3.2008.1388)

 

Nr. 13

Rußland, den 1.11.41.



Liebe Eltern, Willi und Lene!

Gestern abend gegen 7 Uhr erhielt ich mit großer Freude den Brief Nr. 3 vom 26.9. ebenfalls die Karte vom selben Datum, für beides meinen herzlichsten Dank. Ich hatte schon lange auf Nachricht von zu Hause gewartet, nun bin ich wieder beruhigt. Wenn ich weiß, daß zu Hause alles wieder in bester Butter ist, bin ich gleich anders gelaunt. Ihr fragt in Eurem Brief, warum es bei der Batterie 20559 besser ist, das will ich Euch schnell erklären. Erstens bin ich bei der Batterie von Anfang an, zweitens sind in der Batterie einige Jungs, die mit mir zusammen nach Bulgarien fuhren und drittens gefallen mir in dieser Batterie die Vorgesetzten besser als bei der Nachrichtenstaffel und viertens ist die Fresserei hier besser als dort, also Gründe genug. Zwei Kameraden die mit mir zu der Batterie kamen sind nun schon nicht mehr bei uns. Der eine kam vor längerer Zeit ins Lazarett wegen Nierenleiden, der Andere hat nur ein Auge und ist Kraftfahrer, das mußte ihn wohl zu sehr anstrengen. Wie ich Euch schon schrieb, ist mein erster Russenwagen gehimmelt, jetzt habe ich einen anderen, einen Dreiachser „Spritzen“. Ein schöner Kasten ist das ja gerade nicht, ich führe ja viel lieber auch etwas anderes, aber schließlich ist das ja das, was wir am nötigsten brauchen, und einer muß es ja fahren. Allerdings bin ich nicht der einzige Munitionsfahrer, aber habt nur keine Angst, bei der Nachrichtenstaffel habe ich fast immer in einer beklemmten Lage gesessen, was hier nicht so schnell passieren kann, ich konnte Euch das nur nicht immer so schreiben. Einen Nachteil habe ich zwar, ich habe „meinen“ Koch nicht mehr bei mir, aber trotzdem brauche ich nicht zu hungern. Wenn Ihr mich im Augenblick sehen würdet, sagtet Ihr bestimmt. Mensch was siehst Du gut aus, es ist aber auch wirklich so. Heute ist Sonnabend vorigen Samstag habe ich fabelhaft gelebt. Gegen Mittag kam unser Marketenderwagen und brachte uns leckere –Sachen. Da habe ich mit zwei Kameraden eine Flasche französischen Sekt gekauft, jeder eine Feldflasche voll Rotwein und haben uns von unserer Quartiermama eine Ente braten lassen, die hat uns den Vogel dann prima zubereitet mit ein paar Bratkartoffeln, dann haben wir abends herrlich und in Freuden gelebt, trotz Krieg, aber ich kann Euch sagen, das war mal wieder ein herrlicher Tag, zur Abwechslung tut das auch mal ganz gut. Alles hat mir tadellos geschmeckt, voll geworden bin ich nicht, wohl etwas warm, aber dafür habe ich ganz prima gepennt. Nun noch einmal zu den Beutesachen. Was Ihr mit den Jacken macht, weiß die Mutter wohl am besten. Für uns hier im Felde sind diese Jacken bestimmt prima, aber ich habe genug, um mich warm anzuziehen. Wir sagen zu diesen Dingern, prima prima, wir sind ja nichts besseres mehr gewohnt, wir sehen ja hier nichts besseres. Ich kann mir denken, daß wenn im Reich jemand öffentlich mit solchen Jacken herumläuft, dem schaut man unwillkürlich nach. Hier kennt man eben nichts anderes. Na ja, die Hemden und Handschuhe könnt Ihr ja verwerten, das freut mich. Im vorigen Brief erwähnte ich ja schon, daß ich wieder zwei Pakete abgeschickt habe mit je 2 Gummischürzen, hoffentlich kommen die auch an. Wie ich sehe gehen daheim Gerüchte um, daß die Truppen aus dem Osten herausgezogen werden sollen. Liebe Eltern, dieses Gerücht läuft hier schon lange herum, aber gemerkt haben wir noch nichts davon. Als wir vor längerer Zeit einmal 14 Tage in Ruhe lagen, sollten wir schon unseren Marsch nach Hinten antreten, aber genau daneben, es ging nach vorn, ich persönlich glaube solchen Parolen überhaupt nicht mehr. Viel lieber wäre es mir, wenn der Krämpel ganz am Ende wäre, wenn uns das Wetter nicht immer so aufgehalten hätte und noch aufhält, wären wir auch schon weiter. Wenn es hier einmal eine Stunde regnet, das wirft uns gleich einen ganzen Tag zurück. Ihr könnt Euch das garnicht vorstellen, das muß man alles selbst mit erlebt haben. Willi hat ja nun auch die Schule aus, na denn kann es ja losgehen was? So, nun müßte ich zu Schluß kommen. In der Hoffnung, daß Euch dieser Brief bei bester Gesundheit erreicht, so wie er mich verläßt, grüßt Euch herzlich Euer Sohn Karl.

 

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