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Brief (Transkript)

Karl Nünnighoff an seine Eltern am 26.12.1942 (3.2008.1388)

 

Rußland, den 26.12.42



Mein lieber Bruder Willi!

Gerade komme ich von Wache, es ist so kalt, daß mir die Augenwimpern zusammen froren. Dieser Winter wird bestimmt gerade so kalt wie der letzte.
Als mich die Posten heute morgen um 330 Uhr weckten zur Ablösung, habe ich alles angezogen, was mir zur Verfügung stand ich dachte mir, kaputt frieren will ich mich nicht. Neben Filsstiefeln, Mantel und Übermantel habe ich noch die dicke Winterhose meines Bunkerkameraden angezogen, Kopfschützer, Pelzmütze und einen wollenen Fußlappen vor die Nase bis unter die Augen und doch war ich froh, als meine 2 Stunden um waren. Wenn Du mich gesehen hättest, wie ich mich eingemummt hatte, Du hättest mich nicht erkannt. Als ich nun eben in meinen Bunker kam, wurde meine Knarre so weiß wie Kalk und meine Finger bleiben fast an ihr kleben. Lieber Willi, hoffentlich hast Du das nicht nötig, so einen Winter in Rußland mitzumachen. Das wünsche ich Dir nie. Nach der Wache habe ich dann noch schnell, weil ich nun einmal angezogen war, bei der Küche Kaffee geholt, ich sage Dir, da dachte ich aber doch, mir wären die Finger abgefallen. Dann kam ich wieder zurück in den Bunker, hab mich ausgezogen und mal erst am Bunkerofen gewärmt, den die Kameraden mittlerweile angesteckt hatten. Nachdem setzte ich mich in die Ecke und aß ganz gemütlich meine Schnitte Brot, mit einem Becher Kaffee, die ich gestern aufgehoben hatte, mehr habe ich morgens nie zu essen seit einiger Zeit. Nun muß ich mit leerem Magen heute Mittag 3 – 4 Kilometer in der Feuerstellung einen Kanister Essen holen, dann ist es ½ 2 Uhr wenn wir zurückkommen. Gestern habe ich so einen Hunger gehabt, daß ich bald nicht wußte wohin. Zum Glück hatte ich mir beim Küchenchef vorige Tage ein bischen Krempulver geschnorrt und hatte noch eine Büchse Milch, die ich von zu Hause mitnahm. Da hatte ich natürlich nichts eiligeres zu tun, als den Pudding gleich zu kochen, ich machte 1 ½ lt. wovon ich dann halbwegs satt wurde, nun sind meine Vorräte vollständig auf 0 angekommen, jetzt muß es bald mehr Fressen geben, sonst schiebe ich noch schwer Kohldampf.
Heute ist nun der 2. Weihnachtsfeiertag, aber merken tut man keine Spur davon. Rings um uns herum knallt und bumst es. Am heiligen Abend haben wir etwas gefeiert, alle Marketenderbestände wurden ausgegeben, die noch vorhanden waren, da bekamen wir noch 40 Zigaretten, 3 Tafeln Schokolade und etwas Schnaps. In der Nacht zum 25.12. war die Front verhältnismäßig ruhig, aber das war die Ruhe vor dem Sturm. Am 25. morgens griff der Russe an und brach auch in Kompaniestärke durch, dann war gleich bei uns Alarmbereitschaft gemeldet, da kannst Du Dir vorstellen, daß man da alle Weihnachtsgedanken verliert. Gegen Mittag war dann die Sache wieder ziemlich bereinigt. Na nun weißt Du auch was wir für eine Weihnacht erleben hier draußen.
Der eigentliche Grund meines Schreibens ist allerdings der. Neben all diesen Sorgen und Qualen dachte ich doch daran, daß Du am 6. Januar Deinen Geburtstag feierst und dazu möchte ich Dir heute meine allerherzlichsten Glück und Segenswünsche aussprechen. Feier Deinen Geburtstag nun schön im Kreise Deiner Freunde und Arbeitskameraden.
Doch nun will ich so langsam zum Schluß kommen. Grüße Vater, Mutter und Lene, Stibbe und die ganzen Hausbewohner und nicht zuletzt alle Verwandten und Bekannten. Dich grüßt heute am 2. Weihnachtsfeiertage aus weiter Ferne Dein Bruder Karl.
Auf ein frohes und gesundes Wiedersehen!

 

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