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Brief (Transkript)

Karl Nünnighoff an seine Eltern am 25.7.1941 (3.2008.1388)

 

Rußland, den 25.7.41



Liebe Eltern!

Eben habe ich in unserer neuen Stellung mein Loch fertig gebuddelt und habe nun Zeit, bis daß die feindlichen Brocken wieder hier landen, um dann darin etwas Schutz zu suchen. Diese Zeit werde ich nun schnell benützen, Euch einige Zeilen zu schreiben. Zuerst muß ich Euch dann mitteilen, daß ich jetzt wieder bei meiner alten Batterie bin und somit wieder die alte Feldpostnummer habe Nr. 20559. Die Nachrichtenstaffel, in der ich eine Zeit lang als Funkwagenfahrer eingesetzt war, hat nun ihre eigenen Funkwagen und damit auch ihre eigenen Fahrer. Ich nahm den Wagen wieder mit zur Batterie, ob ich ihn nun dort weiter fahren werde, weiß ich noch nicht. Nun noch einmal zu den 3 ersten Paketen. Als ich heute Morgen noch einmal an eins der Pakete ging, um ein paar Datteln zu essen, habe ich mir auch einmal die beiden Zeitungen vorgenommen. Dann fand ich zwischen ihnen noch ein Brief, den ich beim Öffnen garnicht gesehen hatte, den werde ich Euch dann jetzt beantworten. Ich ersehe daraus, das wieder 3 Paketchen für mich unterwegs sind, ich werde das so ein bischen nachhalten und dann sehen, ob alle angekommen sind, das wären dann „[…]tisch“ zehn Paketchen, die ich bis jetzt zu bekommen hätte. Mittags, wenn der Wagen mit den Essenkübeln kommt, freue ich mich immer ganz besonders, denn Hunger habe ich immer bis unter die Arme, ganz gleich zu welcher Tageszeit. Ich habe im Leben noch nie so viel essen können wie augenblicklich bei Komiß. Ich gehe jeden Mittag zweimal und hole mir ein Kochgeschirr voll wenn ich es eben kriegen kann. Wenn ich dann zum zweiten Mal komme, dann sagt der Unteroffizier immer, „Mensch N., sie sind doch vielleicht ein vollgefressener Strumpf, wenn alle so viel fressen wollten wie sie, dann könnte ich 8 Kübel mitbringen“: Vier bringt er nämlich immer mit. Das Essen ist im allgemeinen gut, nur oft sehr dünn, aber da ist nun mal nichts dran zu machen. Fleisch ist in den Suppen immer satt und genug, die gewöhnlichen Gerichte sind, Bohnen, Reis, Linsen, Nudeln mit Gulasch, und sehr oft Erbsen, frisch gepflückt vom Feld, die gibt es ja hier in rauhen Mengen. Kartoffeln machen wir uns auch selber aus. Es ist uns sogar gestattet, selbst für uns zu sorgen, man kann da also ein Kalb schlachten, aber das wäre ja für eine Person etwas reichlich, also bleiben wir bei Huhn oder Ganz, die dann am Spieß gebraten wird. So Viecher haben mir schon oft gemundet. Was rupfen und ausnehmen anbelangt, lernt man alles bei Komiß. Nur schade, daß es Mittags nichts hinten rein gibt, Pudding oder so was, wenn man da nicht gerade ein Paketchen von zu Hause hat, muß man eben so auskommen. Das Willi im Sportsverein ist, ist ja prima, na ja, dann wird er wenigstens nicht steif. Dann wird wohl bald in der Zeitung etwas von ihm zu lesen sein was? Helmut ist ja nun tapferer Seemann, wie ich gerade lese, ist wirklich allerhand für ihn, ein „Schifflein“ selbst zu führen. Hüttenhoff ist ja auch wohl auf, das freut mich. Wie Ihr schreibt, ist er in einer schönen Gegend. Die hier ist weniger schön, wenigstens die Straßen. Hier vergeht kein Tag ohne Regen, aber dann ist es wieder schön. Hat es aber einmal den ganzen lieben Tag geregnet, dann sehen hier alle Straßen aus, als wenn Ihr in das Sauerteigfaß guckt nur mit dem Unterschied, daß der Sauer etwas mehr weiß ist und dabei zu fahren ist wirklich kein Vergnügen. Das ist eine große Schweinerei. Da es im Einsatz immer quer feldein geht, steigert sich die Schweinerei noch wesentlich. Sehr oft ist es schon vorgekommen, daß wenn es Nachts geregnet hatte und wir mit unseren Fahrzeugen in den Feldern standen, daß dann Morgens jedes einzelne Fahrzeug mit der Zugmaschine heraus auf den Weg gezogen werden muß, das erschwert den Vormarsch natürlich koloßal, das läßt sich ja denken, trotzdem muß es vorwärts gehen. In Bulgarien und Rumänien kannte man wenigstens einen Lochlokus, während man hier einfach in den Garten oder aufs Feld geht und dort sein Bedürfnis erledigt. Die Bevölkerung der Ukraine ist immer sehr freundlich zu deutschen Soldaten, die sind froh, daß wir da sind und ihnen helfen. So nun muß ich Schluß machen, denn die feindlichen Granaten liegen schon ganz in unserer Nähe und da muß ich mich schnell in mein Loch verkriechen. Seid gegrüßt bis zum nächsten Mal. Es grüßt Karl!

 

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