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Brief (Transkript)

Karl Nünnighoff an seine Eltern am 26.9.1941 (3.2008.1388)

 

Rußland, d. 26.9.41.



Liebe Eltern, Willi und Lene!

Gestern erreichte mich bei bester Gesundheit und mit großer Freude eine Karte vom 6.9. und ein lieber Brief vom 7.9. für beides meinen besten Dank. Zu dem fanden heute wieder zwei Beutelchen den Weg zu mir, auch hier für herzlichen Dank. Ein kleiner Heimatgruß von Opa, Oma, Wilhelm und Else Kamphausen war der dritte im Bunde, jedoch über Euren Brief habe ich mich am meisten gefreut. Aus ihm ersehe ich, daß am Tage der Absendung dieses Briefes immer noch Unklarheit besteht über meinen augenblicklichen Aufenthalt. Bis zum Tage der Ankunft dieses Briefes wird ja wohl alle Unklarheit aus meinem letzten Brief zu ersehen, behoben sein. Meine jetzige bleibende Feldpostnummer ist 20559. Daß Ihr etwa 30 Beutelchen auf diese Nr. abgeschickt habt, spielt also keine Rolle Für heute habe ich schon die Beutelchen von Nr. 1 bis Nr. 24 restlos und heil erhalten. Ebenfalls die Beutel mit Brause und Briefpapier. Ich schrieb Euch im letzten Brief ja schon, daß es hier jetzt schon lausig kalt ist, daher braucht Ihr mir also Brausepulver nicht mehr zu schicken. Wie ich aus der Karte ersehe, ist aber noch ein Beutelchen mit Brause unterwegs, ist aber nicht so schlimm. Solltet Ihr aber noch das „Hag Cola“ [?] haben, das könnte ich dann schon eher gebrauchen. Da ich nun nicht mehr den Funkwagen fahre und den Konditor als Funker nicht mehr bei mir habe, ist es leider vorbei mit den leckeren Gänsen, Bratkartoffeln, Pfannkuchen und Omletts aber dafür habe ich es bei unserem Küchenbullen wieder gut stehn, da fällt auch immer etwas ab und so komme ich dann also doch noch nicht zu knapp man muß das nur anzufangen wissen.
Die Grüße habe ich dem Funker leider noch nicht übermitteln können. Da er ja in der anderen Einheit ist und ich ihn nur selten sehe. Dann meint Ihr, ich könnte ihn, wenn es Weihnachten Urlaub gäbe einmal mit nach Hause bringen. Leider ist er schon 37 – 38 Jahre alt, hat selber ein zu Hause und eine Familie und ich glaube das er auch gerade so gerne oder noch lieber seinen Urlaub bei Frau und Kind verbringen möchte, als daß er mit mir nach Hause käme. Wäre der Krieg nicht gekommen, hätte er sich schon lange selbständig gemacht. Ich wäre gerne noch mit ihm zusammen geblieben, aber ich habe ja hier in der Batterie auch meine Freunde und gute Kameraden, die mit mir zusammen nach Bulgarien gefahren sind. Jeder von ihnen fährt heute auch einen Russenbeute Wagen, gerade wie ich. Ihr schreibt, das die Postverbindung bei anderen auch so bescheiden ist. Wenn Helmut Mombair [?] schon mal 8 Wochen nicht mehr geschrieben hat, könnt Ihr doch immer noch froh sein, das ist doch bei Euch noch nicht vorgekommen was? Dann lese ich gerade, Heinz a.d. Bruch ist vor 14 Tagen erst ausgerückt, hat der aber „Schwein“ gehabt. Alarm habt Ihr also auch immer noch, sogar die Stadt hat schon mal was abbekommen? Junge, Junge hoffentlich ist noch alles heil wenn ich einmal nach Hause komme. Wir haben in letzter Zeit fast kein einziges Russisches Flugzeug gesehen. Na ja, uns kann das ja nur nützen. Daß die Flack bei Euch jetzt gut arbeitet ist ja prima, dann sollen wir wohl bald alle Ruhe haben. Wenn eine Maschine brennend abstürzt habe ich nun schon oft gesehen. Das ist für mich schon bald nichts Neues mehr. Die Schlacht um Kiew haben wir ja nun auch siegreich beendet. An diesem Kampf waren auch wir beteiligt. Vor einigen Tagen noch habe ich zum ersten mal einen Sturmangriff mitgemacht, da konnten die Russen aber nicht mehr, das ging zak zak und schon waren alle gefangen genommen, eigene Verluste, keine. So geht das jedes Mal. Wenn ihr oft die Züge von Gefangenen gesehen hättet, die aus dem Kessel von Kiew kamen, wäre Euch die Spucke weg geblieben und dann ewig diese verdammten Flintenweiber ihr Gesicht verrät alles. Von den Sachen, die ich geschickt hatte, habe ich Euch ja schon geschrieben, ebenfalls von dem Geld, ich wollt, ich wüßte schon mal alles gut und heil zu Hause. Jetzt habe ich wieder ein paar Unterhosen „geganstert“, die will ich aber zum auswechseln hier behalten. Ebenfalls zwei große Tücher, so eine Art Bettlaken, wenn ich Gelegenheit habe, schicke ich Euch diese nach Hause. Vielleicht könnt Ihr damit was anfangen, es ist nicht viel, aber wenn ich was schnappen kann, das geht mit. Das man Euch wieder das unreife Obst von den Bäumen geklaut hat, ist doch eine Schweinerei, nur schade, daß man diese Kerle nie dabei erwischt. Von den „Selbstschüssen“ [?] die Euch genehmigt wurden zu legen, verspreche ich mir auch noch nicht so viel von. Von schlechter Ernte in der Heimat hört man hier allgemein, na vielleicht holen wir dieses Jahr noch ordentlich was aus Rußland heraus. Je weiter wir kommen um so öfter sieht man das die Russen doch ihr ganze Ernte nicht umkommen lassen wollen, alles ist fleißig auf den Feldern am schaffen. Ihr schreibt, daß Ihr jetzt endlich Sommerkleidung tragen könnt, das würde Euch aber hier sehr schlecht bekommen so kalt ist es schon geworden. Es wird Zeit, daß für die motorisierten Einheiten der Krieg in Rußland zu Ende geht. Da lese ich gerade, Herr Grose [?] aus der Gransestraße [?] muß nach Afrika? Ich muß sagen, ich hätte zu allem große Lust, aber nach Afrika, das wäre doch nicht mein Fall. Nach Portugal, Spanien, Süd-Frankreich oder Italien möchte ich schon einmal ganz gern noch hin, dann habe ich überall ein bischen von der schönen Welt gesehen und doch, wenn ich aus diesem Feldzug heil zurück komme, ist es doch ein ganz nettes Stück, was ich von der Welt gesehen habe und kann auch viel erzählen. Wenn ich noch dran denke, wie herrlich es war in Bulgarien und Rumänien, wie gut ich dort gelebt habe, dort habe ich abends als es schon dunkelte noch Eis gegessen und Limonade getrunken, Kuchen gegessen usw. so etwas leckeres wie dort gibt es im Augenblick im Reich nirgends. Ich sehe, Ihr habt Euch noch einen Trockenkonservator zugelegt, dann scheint ja das Eisgeschäft gut geklappt zu haben und die Eismaschine geht jetzt auch elektrisch, das ist ja großartig wenn ich nach Hause komme, kenne ich Euch bestimmt nicht mehr wieder. Na, wenn das Geschäft gut und immer besser klappt, fällt es Euch doch sicher auch nicht schwer, mit den Lebensmittelkarten auszukommen was? Aber Mutter versteht ja den Kram. Sonst ist ja noch alles im Takt wie ich sehe. Eines vermisse ich zwar ganz gewaltig in diesem Feldzug und zwar das Klavier und den Kwetschenbüggel [?]. Seit ich in Schlesien war, in Wansee [?], habe ich noch nicht wieder so ein Musikinstrument gesehen, da habe ich oft eine richtige Sehnsucht nach, das könnt Ihr Euch schwer denken. Der Wirt, bei dem wir in Wansee Quartier bezogen hatten, hatte eine Tochter, die hatte kürzlich einem Kameraden von mir geschrieben, mit dem sie sich sehr gut verstand, er möchte mir auch Grüße bestellen und sie dankte auch noch einmal herzlich für die schöne Musik die ich gemacht hätte, gerade fällt mir noch etwas ein, der Köbi [?] vom de Mötter [?] hatte vor 2 Tagen Geburtstag, seid doch bitte so gut und übergebt ihm die beiliegende Karte.
Nun möchte ich schließen, denn ich muß an meiner „Russenlimosine! werksen [?]. Seid alle gegrüßt von Karl.
Viele Grüße an Alle.

 

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