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Brief (Transkript)

Karl Nünnighoff an seine Eltern am 11.11.1941 (3.2008.1388)

 

im Felde, den 11.11.41.


Nr. 14

Liebe Eltern, Willi und Lene!

Einige Tage habe ich wieder nichts von mir hören lassen können, habe aber auch, da die Post nicht so recht nach kam, ein paar Tage von Euch nicht gehört, aber trotzdem muß ich Euch einige Zeilen schreiben. Viel weiß ich heute nicht zu berichten, aber etwas immerhin. Diese Nacht hatte ich von 3 – ½ 5 Uhr Wache. Als ich raus kam, war das ganze Gelände in Reif und Nebel gehüllt, dazu eisige Kälte, ich habe gleich angefangen zu laufen, damit meine Füße warm blieben. Mein Nachtlager habe ich auf einem Haufen Weizenkörner in einer Ecke in meinem Quartier aufgeschlagen. Man wird mit der Zeit so anspruchslos, das man sogar auf Kartoffeln gut schläft. Über wenig Schlaf kann ich mich nicht beklagen. Jeden Tag infolge der frühen Dunkelheit lege ich mich schon gegen 5.00 - ½ 6.00 Uhr hin, zu Hause würde mir sowas im Traum nicht einfallen. Es beginnt hier morgens gegen ½ 6.00 Uhr hell zu werden und abends gegen ½ 5.00 Uhr ist es schon so düster wie im Sack. Wenn ich mal nach Hause komme, bin ich das weiche Bett garnicht mehr gewöhnt. Am 9. November, also Vorgestern wollten die rußischen Flieger noch einmal beweisen daß sie noch da waren. Bomber und Jäger kamen in einer viertelstündlichen Folge über unsere Stellungen und beasten uns mit Bomben und Bordwaffen. Getroffen haben sie nicht einmal was. Die Folge davon war, daß zwei der immer wieder angreifenden Bomber von unseren Jägern allein in unserer Nähe abgeschossen wurden, wer weiß wieviel Russen an diesem Tage noch eine Etage tiefer mußten. Oft kamen die Biester im Tiefflug über uns hinweg gemacht und „beharkten“ uns mit ihrem MGs und Bordkanonen, in ihrer Aufregung, weil sie andauernd von unseren Jägern gejagt wurden, schossen sie alle daneben, das haben wir nun schon oft mitgemacht, wir geben kaum noch etwas darum, wir sind schon so kaltblütig geworden wie nur irgend etwas. Aber ich soll schon aufpassen, macht Euch nur keine Sorgen, es hat bis heute immer noch gut gegangen, dann wird Gott auch wohl bis das ich nach Hause komme seine Hand über mir halten, schreibt mir immer wie es zu Hause steht, ob alles noch gesund und munter ist, dann bin ich beruhigt. Als ich am 9. November mein Nachtlager bezog und mich schlafen legen wollte, war im Radio ein Wunschkonzert, ich bin nämlich im Quartier unseres Hauptmanns und der hat ein Radio, da fühlte ich mich wie zu Hause, nicht als läge ich in einer Ecke auf Weizenkörner sondern als säße ich am Schreibtisch und hörte diese schöne Musik. Zuletzt spielten sie ein Lied, das wir hier schon sangen, als wir mal die 14 Tage in Ruhe lagen, es hieß „unter der Laterne…“ ich wußte nie wo dieses Lied herkam, ich dachte das hätten sich unsere Landser selbst gedichtet, und da hörte ich es auf einmal im Radio. Wir nennen das Lied „ Der Marsch der besoffenen Offiziere.“
Ihr wißt, daß ich gerne hier draußen bin, aber ich möchte nicht ein zweites Mal nach Rußland, diese Zustände die hier herrschen, sind für einen modernen Menschen unglaublich. Laß nur einer sagen in Rußland wehre es schön, wie in einem Paradis, den erkläre ich direkt als komplett verrückt, dann weiß ich doch wo es schöner ist. Dieses Leben hier grenzt an eine vollkommene Verblödung, wenn wir hier ein paar Jahre wären, dann würden wir stumpfsinnig wie eine Kuh. Wenn in Deutschland jemand behauptet, es ginge ihm schlecht, den müßte man nach Rußland schicken, so dreckig wie es den Leuten hier in Rußland geht, kann es in Deutschland niemanden gehen, aber alles so zu schreiben, würde nicht gut gehen, ich erzähle Euch dann alles später. Für heute möchte ich nun Schluß machen, ich sitze hier in meinem Wagen und habe Eisfüße. Ich will hoffen, daß dieser Brief Euch bei bester Gesundheit erreicht, so wie er mich verläßt. Seid alle recht herzlich gegrüßt von Eurem Sohn Karl.
Morgen schicke ich wieder 150 – Mk nach Hause. Ist das andere Geld schon angekommen?

 

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