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Brief (Transkript)

Karl Nünnighoff an seine Eltern am 1.5.1942 (3.2008.1388)

 

Rußland, 1.5.42


Nr. 58

Liebe Eltern, Willi und Lene!

Ich schrieb Euch einmal, daß ich an einem Tage mal soviel Post bekommen hätte, daß 16 x mein Name aufgerufen wurde. Ihr schreibt mir dann daß es wohl bald noch mehr würde und nun es schon eingetreten. Dieses mal war es soviel, daß ich unmöglich alles auf einmal beantworten kann. Ich will Euch mal eben alles aufzählen, damit Ihr was zu lachen habt, auch der Spieß unserer Batterie wußte bald nicht mehr was er sagen sollte. Er sagte nur „Mensch wieviel Frauen haben sie eigentlich, daß ist ja der reinste Harem“. Mit drei Mann wurde die Post verteilt und jeder schrie Nünnighoff, der ganze Sack war bald für mich. Ich habe nachher schon garnicht mehr hier gerufen, ich konnte nur vorne stehen bleiben und man packte mir die Arme voll, die ganze Batterie hat sich bald schief gelacht. Ich hatte alle Mühe, alles heil auf meine Stube zu bekommen. Über das Wort „Stube“ werdet Ihr Euch wohl wundern, ja, wir sind vorne von der Front wieder abgelöst und liegen nun hier zwischen Makejewka und Charzisk in so Mietskasernen, die früher von Zwangsarbeitern bewohnt waren, hier hat man uns hingesteckt und hier haben wir es uns häuslich gemacht. Als ich nun auf die Stube kam, habe ich mir den „Berg“ einmal angesehen und habe gedacht, gut daß ich jetzt hier bin und nicht auf dem Vormarsch sonst wüßte ich bestimmt nicht wohin damit. Also insgesamt waren es 13 Beutelchen mit Bonbons, Schokolade, Zwieback, Eierplätzchen, Hag Cola und Pfefferminztee. Leider waren alle kaputt gegangen aber vom Feldpostlazarett wieder „verbunden“. Dann kamen sechs Briefumschläge mit Maggis-Suppen, 8 Briefe vom 25.2., 8.3., 9.3., 14.3., 22.3., 25.3., 26.3., und 29.3. Dann 5 Karten vom 3.3., 17.3., 27.3., 30.3. und 1.4., ein Päckchen von E[…] Kamphausen, 1 Brief von Frau Else Kamphausen, 1 Karte vom Hausmädchen von Kamphausen, 1 Brief von Hedi und 1 Brief von Helmut. Im ganzen wurde 37 mal mein Name gerufen. Als ich mir den „Berg“ den ich auf dem Tisch liegen hatte betrachtete, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus, ich wußte nicht mehr was ich sagen sollte. Ich werde dann den ganzen Kram hintereinander beantworten. Zuerst einmal vielen vielen Dank für alles ich habe mich riesig gefreut. Auch über den Brief von Rudi Hüttenhoff, den Ihr mir mit schicktet habe ich mich gefreut, ist doch eine Schande, daß ihn der damalige Unfall so schwer mitgenommen hat, so daß er jetzt noch umsatteln muß. Ja, der Krieg ist ein gefährliches Ding, da wird viel mit altem Eisen geschmissen. Ich schrieb Euch ja schon einmal, daß ich Gott danken will, wenn ich mein eigenes Kreuz heil wieder nach Hause bringe, dann pfeife ich auf Gefreiten Winkel und schwarz-weiß-rotes Bändchen das könnt Ihr mir glauben. Aber über den Zeitungsausschnitt habe ich mich besonders gewundert, daß es doch immer noch Leute gibt, die aus der Rolle fallen müssen und versuchen, den Staat zu bescheißen und dann noch in einer solchen Zeit, wo jeder froh ist wenn er das bischen, was ihm zusteht bekommt. Dann geht so einer hin und bescheißt noch seine Kollegen. Ich werde im Brief den ich an Kamphausen schreibe natürlich nichts davon erwähnen. So und jetzt noch eine kleine Mitteilung. Unsere Batterie hat jetzt aus Erleichterungsgründen für die Post dieselbe Feldpostn. bekommen wie der Stab. Jetzt habe ich wieder die Nummer 03013 / d . Diese Nr. hat die ganze Abteilung. Nun möchte ich so langsam zum Schluß kommen denn es ist Zeit zum Schlafengehen, um ¼ vor 6 Uhr ist wecken. Im nächsten Brief hört Ihr mehr von mir, gesundheitlich geht es mir gut. Seid für heute alle recht herzlich gegrüßt von Eurem Sohn Karl. Gute Nacht u. auf Wiedersehen!

 

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