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Brief (Transkript)

Hans-Joachim S. an seine Frau am 24.10.1944 (3.2002.1214)

 

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Im Westen, den 24.10. 1944



Mein liebes E.!

Ich verwöhne Dich, mein Liebes, wohl ordentlich mit Briefen. Aber es ist heute wieder Gelegenheit, Post nach Deutschland mitzugeben. Diese Tatsache muss natürlich ausgenutzt werden, zumal an unserem Frontabschnitt alles verhältnismäßig ruhig ist. Arbeit gibt es für mich kaum. Wer weiß aber, wie lange ich Dir, liebes Kleines, noch so regelmäßig schreiben kann. Dann darfst Du eben auch nicht traurig sein, sondern wieder auf bessere Tage hoffen. Gestern bekam ich noch nachmittags einen kleinen Auftrag. Als ich zurückkam, war mein Stubenkamerad ausgeflogen. Ihn hatte man zur Division zurückgerufen, angeblich nur für einige Tag. So lebe ich im Moment allein und sehr zurückgezogen. Dieses Nichtstun gefällt mir auch nicht sehr. Zum Glück bewohnt noch ein Funktrupp das Haus, der einen Apparat immer auf Musikempfang eingestellt hat. Man wird ja manchmal, beim Hören schöner Melodien, ganz weich, aber es ist doch etwas Abwechslung. Gestern Abend war wundervolle ital. Opernmusik. Meine Kerze war abgebrannt und ich lauschte im Dunkeln der schönen Klänge. Ich stellte mir unseres schönes deutsches Opernhaus vor, festlich gekleidete Menschen und wir zwei unter ihnen. Ein Glück, dass man diese schönen Erinnerungen hat, von denen man jetzt wirklich zehren muss. In der Nacht flogen wieder große Bomberverbände Richtung Heimat. Hoffentlich haben sie unser Berlin verschont u. unseren armen Eltern die nächtliche Ruhe gelassen. Schreibe mir auch bitte gelegentlich, ob die verschiedenen Dinge, um die ich Dich anl. meiner Abreise bat, noch erledigt wurden, u.a. Anruf in Meseritz, sind die Sachen inzwischen angekommen? Hat Mutti die Bezugsscheine in Spandau erhalten u. konnte sie die Sachen bekommen? Ist von Rolf Ehlers ein Brief angekommen, bzw. hat er 110,-M, welche ich ihm borgte, geschickt? Sollte sonst noch Post gekommen sein, so schicke sie weiterhin an 28542. Von dort hoffe ich bestimmt, das man mir diese nach hier nachschickt, denn zur Division ist fast tägl. Verbindung. Ich hoffe nur, dass bald die Zeit des Wartens auf Post vorbei ist. Ich glaube ja bestimmt, dass es Euch Lieben einigermaßen gut geht, vor allem, dass Ihr gesund seid. Aber ich sehne mich nach ein paar lieben Worten meiner kleinen Eva. Ich will von Deinen kleinen u. großen Sorgen wissen, ich will an allem teilnehmen. Wie fühlt sich nun unser kleiner Eberhard als Getaufter? Bewacht Klaus noch immer sein Brüderchen, ist er zu seiner Mutti artig? Wie hat sich die Lage bei Stendels entwickelt nach der letzten unschönen Auseinandersetzung? So habe ich soo viele Fragen an Dich und auch immer wieder die eine Frage: Behaltet ihr auch immer Euren Vati lieb und werdet Ihr ihn auch nie vergessen? Wir wollen doch alle zusammen, mit unseren lieben Eltern das harmonische glückliche Leben nach diesem Kriege wieder fortsetzen. Es würde dann noch viel schöner werden, da wir innerlich alle reifer geworden sind. Der Gedanke an die Zukunft bewegt mich oft. Immer wieder wollen wir uns sagen: wir müssen stark bleiben, müssen alles Schwere ertragen. Diese schwere Prüfungszeit wird vorüber gehen und uns danach wieder zusammenführen. Der deutsche Soldat im Graben ist tadellos und ist bereit, alles für die Befreiung seiner Heimat zu tun. Er ist jetzt wirklich zu einem fantastischen Kämpfer geworden, der sich durch keine Parolen u. Versprechungen der Feindpropaganda beirren lässt. Nur durch die materielle Übermacht musste er weichen. Das wird aber eines Tages anders werden, dann werden unsere Feinde wieder alles aufgeben müssen, denn sie wissen wirklich nicht, warum sie diesen Krieg führen. Meine Gedanken eilen mit diesem Brief zusammen in Dein friedliches Dörfchen, wo Du als sorgende Mutti unsere prächtigen Kinder behütest. Und einmal komme ich wieder selbst zu Dir, habe Dich lieb und gebe Dir viele tausend Küsse. Bis dahin vergeht zwar noch einige Zeit – aber auch die geht im Fluge vorüber.
Viele liebe Grüße und Küsse

von Deinem treuen Manile

Eben erfahre ich, dass dieses Briefchen mit einem Soldaten direkt nach Deutschland gebracht wird. So hoffe ich, mein liebes Kleines, dass Du nun in kürzester Zeit in den Besitz dieser Zeilen kommen wirst. Jetzt ist´s inzwischen 14 Uhr geworden. Die Front ist auch heute ruhig geblieben und mir geht es unterdessen in jeder Beziehung gut. Hoffentlich seid auch Ihr guten Mutes u. habt Euer Vatile recht lieb.
Ich habe Euch soo lieb u. will Euch wiedersehen, und daran denke ich immer.
Euer Vati

 

 



Ansicht des Briefes

 

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