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Brief (Transkript)

Hans-Joachim S. an seine Frau am 31.08.1942 (3.2002.1214)

 

Ein Blümlein stand am Wege ....
108. Brief

O.U., den 31. August 1942



Mein liebes liebes E.!

Endlich muss wieder ein Brief geschrieben werden, sonst machst Du Dir zu viel Sorge um mich. Ich bin aber bestimmt wohlauf und auch guter Stimmung. Essen und Trinken schmecken besser denn je, da wir ja seit einiger Zeit Verpflegung bei einer kämpfenden Truppe empfangen. Nur schöne Sachen gibt’s da, die ihr armen Berliner für uns einspart. Vor allem die tägl. Schokolade ist ein Hochgenuss. Schicke also jetzt nichts – höchstens mal einige Kekse oder dergl. – Zum Schreiben, mein Lieb, komme ich allerdings immer schwerer. Die tägl. Unruhe dauert ja 24 Std. an. Auch im Schlaf hört man jedes Telefongeklingel, die Ari feuert die ganze Nacht und tagsüber reißt die Arbeit nicht ab. Unser nächster Bahnhof, der in unserem Arbeitsbereich liegt, erhält jetzt dauernd Beschuss, so dass wir täglich 4 – 5 mal hin müssen, um zu flicken. Die Arbeit ist recht unangenehm, da der Bhf. R. vollkommen ausgefallen ist, nichts ist mehr dort, - und nun wird bei uns alles ausgeladen. Die russ. Bomber haben das natürlich auch spitz bekommen und handeln danach. Aber all’ das Theater, dieser schwere Kampf um R., kann uns in unserer Gemütsverfassung nicht ändern. Wir warten nur auf den Tag, wo wir den Russen alles doppelt und dreifach vergelten können. Hoffentlich ist’s schon soweit, wenn Du dieses Briefchen bekommst. – Von Dir ist nun auch endlich wieder Post gekommen, allerdings auch vorläufig wieder die letzte Post, da das Postamt wieder wegkommt. Also Deine Briefe Nr. 21. (Flugpost, angekommen am 28. 8. ha, ha), Nr. 24, 26, 27, Zeitungen, ein Brief von Vater und Wolfgang, all’ diese Post versetzte mich für kurze Zeit in seelische Schwierigkeiten und Nöte. Evchen, mein Kleines, man kann wirklich für kurze Zeit traurig werden, wenn man all’ die friedlichen u. schönen Erlebnisse liest, die Du jetzt 4 Wochen lang hattest. Aber ich bin dann doch zugleich froh und dankbar, dass es Euch in der Heimat und Dir und Klaus auch noch am Ende des 3. Kriegsjahres noch ganz gut geht. Diese schwere Zeit ist eben beispiellos und wir alle müssen stark, sehr stark sein. Wie schön ist Deutschland, wie wird für alles gesorgt, welcher Wohlstand herrscht auch noch beim kleinsten Arbeiter – und welcher Gegensatz hier! Armut, Krankheit, Elend, dumpfes Dahinvegetieren der Bevölkerung erwecken immer wieder Grauen und auch Stolz. Was wird allein für den Soldaten alles getan, es ist direkt beschämend. Man nimmt das alles als selbstverständlich hin und meckert gleich, wenn es mal fehlt. Der Russe muss doch alles entbehren, auch im Frieden. Kleine Kinder schon haben keine Lebensfreude mehr, gehen nur gesenkten Blickes umher und suchen im Dreck nach Essbarem. Alles wird von ihnen untersucht und abgeleckt. Fröhliches Spielen gibt’s nicht! Was für blitzende Äugchen wird mein Klaus immer gemacht haben, wenn er Himbeeren und Blaubeeren in den Wäldern entdeckte und mit Mutti gemeinsam auffutterte! Welch’ sprühendes Leben und Temperament zeigen spielende Kinder! – Jetzt bist Du, mein Herzel, wieder in Berlin, hast auch Deine kleinen Sorgen, und musst viel herumrennen. Aber abends, nach des Tages Mühen – bist Du in Deinem schönen Bettchen, hast Radio, ein schönes Buch, ein warmes Bad, alles was man sich an Bequemlichkeit wünschen kann. Aber nur noch 10 Monate – dann hab ich’s auch geschafft und bin urlaubsreif. Dann darf ich bei Euch sein und Euch lieb haben und kein Mensch kann uns stören. Wolfgang schrieb auch sehr optimistisch bezgl. Urlaub. Vielleicht wird er schon bei Euch sein, wenn dieser Brief eintrifft. Wenn ich auch hier in O. in diesem Mist jetzt drin sitze, so kann ich doch wohl sagen, dass ich wieder auch Mordsdusel damit hatte. Die vergangenen Wochen in R. wären für mich noch unangenehmer gewesen, dann der anschl. Umzug und jetzt Quartier in den Wäldern – na, ich danke. Hier gibt’s ja auch viel Ärger und man wartet förmlich darauf, dass mir eine Panne passiert! Aber ich habe doch ein „schönes“ Quartier, gutes Essen und selbständiges Arbeiten. Die Verantwortung drückt mich nie. Von Paul und Helmuth habe ich lange nichts gehört. Vielleicht ist einer von ihnen schon auf Urlaub. Die Leitungen dorthin sind so überlastet, dass man ein Privatgespräch nicht verantworten kann. Pflege aber die Verbindung mit Frau F. u. auch Frau R.. Hast Du mal was von Hans Dressel gehört? Was macht eigentlich Margot? Ist da etwa eine Spannung vorhanden, da sie nie schreibt?
Nun Schluss, mein Liebes, grüße alle Lieben herzlich, sage Vater schon besten Dank für seinen Brief. Grüße die Uroma, Schwiegereltern, Tante Anna.
Dich habe ich lieb, sooo lieb! Klaus soll auch immer in Liebe an seinen Vati denken und für ihn beten! Heiße innige Küsse,

Dein Manile

 

 



Ansicht des Briefes

 

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