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Brief (Transkript)

Hans-Joachim S. an seine Frau am 19.08.1942 (3.2002.1214)

 

Osten, den 19.8.42



Mein liebes kleines E.!

Ich weiß zwar nicht wann und wie jetzt diese Post zu Dir finden soll, aber einmal wird sich doch die Gelegenheit ergeben und dann ist es gut, wenn der Brief fertig da liegt. Vorgestern bekamen wir auch noch einmal Post, u.a. kam Dein 20. Brief vom 3.8.. Außerdem ein Brief von Eltern und Schwiegereltern. Dies soll nun für längere Zeit die letzte Post sein. Das Feldpostamt ist ... weg, es ist noch nicht bekannt, wo es wieder seine Zelte aufschlägt. Es wird bestimmt bis dahin einige Zeit vergehen. R. ist jedenfalls auch vollkommen geräumt, auch unsere Kompanie ist weg. Na, durch die Zeitung wirst Du ja auch alles erfahren. Ich werde Dir später mal viel zu erzählen haben! Wir halten aber noch unsere Stellung in O. und flicken immer wieder unsere Leitungen. Täglich tippeln wir unsere 10 – 20 km, bei heißer Sonne, bei stundenlangem Regen, Sturm oder anderen „Zugaben“. Auch nachts werden von uns jetzt Spähtrupps unternommen – aber nur bis in die nächsten Gemüsegärten zwecks Bereicherung unserer Kost. Kohlrüben, Wirsingkohl und Kartoffeln werden im Schutze der Dunkelheit „besorgt“, damit unsere Süppchen etwas dicker werden. Wir haben alle immer ungeheuren Kohldampf, mit meiner Brotration (tägl. 600 gr) komme ich auch nicht mehr zurecht. Jetzt bekamen wir zum ersten Mal seit langer Zeit wieder 2 Tafeln Schokolade. Kannst Du Dir vorstellen, dass ich diese hintereinander auffutterte? Auch Nusshäufchen und andere delikate Sächelchen könnten mich reizen. Aber vorläufig werden wir bei unseren Eintöpfen wohl noch bleiben müssen. Ja, mein Herzel, in Deinem 20. Brief stellst Du eine Gewissensfrage, ob ich Dich immer lieb behalten werde. Wer muss denn nun größere Besorgnis hegen, Du oder ich? Wer ist jetzt den verlangenden Blicken vieler Männer ausgesetzt? Wer ist liebebedürftig und liebeshungrig? Wir rauen Landser haben jedes Gefühl für Liebe und Zärtlichkeit verloren. Wir wissen, dass derartige Ansprüche von keiner Marketenderin, von keiner Dienststelle in Russland befriedigt werden können. Deshalb haben wir alle Gefühlsmomente ausgeschaltet. Nur wer rücksichtslos, ohne Gefühlsduselei seine Ellenbogen gebraucht, kann sich behaupten und bestehen. Man erschrickt manchmal, wenn man mal selbst besonders rücksichtslos war. Na, dass uns eine stinkende Dorfschöne aus Okorokowo nicht fesseln kann – ich glaube, dass wirst Du auch glauben. Behaltet Ihr zwei mich nur recht lieb, 9 Monate sind wir nun auch schon wieder getrennt – noch nie war die Trennung so lang! Nun noch einmal die gleiche Zeit – ein Herbst, ein langer Winter, ein noch längeres Frühjahr – dann ist’s wieder Juli und Mannichen wird dann endlich urlaubsreif sein. Oh, dann, mein Evchen – dann werden wir 21 glückliche Tage verbringen! Behalte Du mich also bis dahin lieb – auch jetzt, wenn vielleicht tagelang und noch länger keine Post eintrifft. Der ungeheure Druck hier bei R. wird auch wieder weichen und es werden wieder ruhige Verhältnisse eintreten. Jedenfalls hat hier kein Mensch geglaubt, dass R. noch einmal 90 %-tig in Asche gelegt werden konnte.
Also Kopf hoch, mein Lieb’, wir zwei lieben unseren Jungen, wir werden noch mal ein glückliches Leben beginnen können. – Ich habe Dich immer lieb! – und meinen Klaus ganz besonders.

Euer Vatile

PS: den beiliegenden Zeitg.-Artikel las ich in der Forster Ztg.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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