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Brief (Transkript)

Hans-Joachim S. an seine Frau am 25.12.1941 (3.2002.1214)

 

10. Brief

Sy., den 25. 12. 1941



Mein geliebtes kleines E.! Mein lb. Junge!

1. Feiertag, nachmittags 5 Uhr. Nun ist’s soweit, Weihnachten, das schönste Familienfest ist nun da und hat auch uns endlich in eine freudig feierliche Stimmung versetzt. Bis zur letzten Minute wollte gestern die Weihnachtsfreude nicht aufkommen; als aber doch noch in vorletzter Minute Dein 1. lb. Weihnachtspäckchen, das schöne Buch und Dein Brief vom 6. Dez (Nr. 8) ankamen, als der Weihnachtsmann kam und uns reich beschenkte, Wein, Hennessy, Sherry, Zigaretten, Äpfel, Kekse, Bonbons, Schokol., Briefpapier, Parfüm, Notizbuch, 1 Buch von Rössler u.s.w. und wir 4 Mann alle diese schönen Sachen unter unserem Bäumchen aufgebaut hatten, da wurden unsere Herzen auch warm und wärmer. Bis 19 Uhr stand ich allerdings in der Küche, am heißen Herd und bereitete das Weihnachtsessen – Gans – Grünkohl – Sahnensauce, Geflügelsalat für das Sektfrühstück des 1. Feiertages. Es klappte alles ganz vorzüglich, ich erntete ein dickes Lob. Dann saßen wir alle vor unserem brennenden Weihnachtsbaum und hörten die versch. Klänge aus ferner Heimat, aus aller Welt. Es wurde ein Gläschen getrunken und noch eins mehr, zum Schluss war es eins zu viel, wir hatten eine angenehme Schlagseite und kamen dadurch über den schwierigsten Tag bzw. Abend des Jahres hinweg. Wir photographierten noch, sprachen von früheren Festen, vom vorigen Jahr, als ich noch bei Euch sein konnte.
Auch der heutige Tag begann in aller Ruhe, kein Hasten, nur ständiges Warten auf Post. Auch diese Überraschung klappte vor 3 Stunden. Ich fuhr zum Regimentsstab um Schlagsahne zu bereiten. Als ich zurückkam, war Dein 3. Päckchen und Deine Briefe Nr. 6 (v. 2.12.) und Nr. 9 (v. 7.12.) eingetroffen. Nachmittagskaffee, Schlagsahne, Offiziere, alles war vergessen! 2 Mal habe ich schon Deine Berichte gelesen, das Bild von Klaus steht auf meinem bunten Teller und die schönen selbstgebackenen Kekse ruhen wohlverwahrt im Karton. Jede kleine Einzelheit interessiert mich, der Kinderzuwachs der Verwandten, Deine Freizeitgestaltung und Eure kleinen häuslichen Sorgen. Aber wir müssen alle dankbar sein, dass wir noch so Weihnachten feiern konnten. Hier toben schwere Kämpfe, unsere braven Infanteristen halten aber so fest u. tapfer die Front, dass wir hier schon, nur 50 km von der vordersten Linie, in Ruhe u. Andacht das Weihnachtsfest begehen können. Kleine Störungen werden zwar versucht, die aber völlig zwecklos sind. Die Kälte ist ganz nett, - 16°, aber man gewöhnt sich dran, zieht sich kaum wärmer an als sonst. – Hans Dressel schneite auch vorgestern und heute überraschenderweise herein. Er hat’s nicht leicht, ist Kurierfahrer. Bei Schnee, Eis u. Kälte Tag und Nacht auf der Straße, mit einem Wagen, der auch aus dem letzten Loch pfeift. Gestern meldete sich auch telefonisch, aus weiter Ferne, ca. 150 km entfernt, W. Gustenhagen, um mir frohe Festtage zu wünschen. So trifft man immer wieder im weiten Russland alte Bekannte, wenn auch nur per Draht. Nun warte ich nur noch auf den Anruf von Wolfgang, damit er mir mündlich noch Deine Weihnachtsgrüße übermitteln kann. Dein Bericht über Klaus, im neuen Anzug, mit den vielen Nikolausgaben stimmen mich immer stolz, dass wir einen solch‘ prächtigen Jungen haben. Ich bedaure ja auch manchmal, dass er so allein aufwächst, aber wer weiß, wofür es in der jetzigen Zeit gut ist. Aber sicher wird doch noch einmal Mut gefasst und dann soll es auch, wie bei Gegga und Ulla, ein liebes Mädchen werden. Ach, mein Herzel, wenn Du jetzt hier wärst, uns sitzen sähest, wie wir alle sehnsüchtig den Radioklängen lauschen und alle schreiben, Helm., Paul, Fritz. Wenn ich Dich jetzt hier hätte, ich glaube ich würde heute ganz ohne Angst, Hemmungen und Überlegungen handeln und Dich nur immer nur ganz heiß lieben, lieben und küssen. Aber weit, 2000 km weit bist Du weg, hörst aber die gleichen Klänge aus dem Lautsprecher und weißt, dass ich so heiß und innig an Dich denke, wie es ein Mensch überhaupt vermag. Gottlob fühle ich mich ganz wohl u. munter, suche zwar abends regelmäßig noch einen Floh, der mich schon seit 3 Tagen verfolgt, sogar nachts aufwachen lässt. Doch einmal wird er schon zur Strecke gebracht werden. So lange es dabei bleibt, bin ich sehr zufrieden.
Grüß mir die Eltern, alle alle recht herzlich ich werde bald die Feder ergreifen, um auch Ihnen von mir zu berichten.
Nun, mein Lieb‘, die letzte Woche des Jahres beginnt. Das Jahr 1941 hat uns doch viel Liebe und Glück gebracht. Möge es nur im gleichen Maße auch 1942 beschert werden.
Im innigen Gedenken, Euch zwei Lieben in ferner Heimat,

Euer Vatile

 

 



Ansicht des Briefes

 

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