Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Hans-Joachim S. an seine Frau am 31.01.1943 (3.2002.1214)

 

26

den 31. Jan. 43



Mein liebes kleines E.!

Heute kann ich Dir nun endlich für ein Briefchen vom 21.1. danken. Es war wirklich eine lange Pause – aber ich kann auch voll und ganz verstehen, dass Du abends nicht mehr fähig bist, lange Briefe zu schreiben – es hängt ja auch sooo viel an Dir, mein armes kleines Wesen! Ich will ja auch gerne einen Tag länger warten wenn ich weiß, wenn Du, mein Liebes, dafür einige Stunden Ruhe mehr hast. Aber hoffentlich hast Du auch die innere Ruhe – damit Du in Deinem Bettchen wirklich Entspannung findest. Nun ist auch die mit Spannung erwartete Rede Görings vorüber und wir wissen ganz genau, was wir von der Zukunft erwarten können, d.h. nichts mehr; jeder Soldat muss von vorneherein zum Opfertod bereit sein u. damit rechnen. Sollte man aber wirklich „Dusel“ haben, so kann man noch damit rechnen, nach dem Kriege als Dussel zu gelten. Jedenfalls sind wir von der Rede nicht 100ig erbaut. Selbstverständlich wird jeder volles Verständnis für diesen Schicksalskampf besitzen und immer bereit sein, sein Leben einzusetzen – aber warum muss man so etwas so krass der Heimat sagen? Na, dass der Krieg noch lange dauern wird, kann uns nicht weiter erschüttern. Damit rechnen wir längst! Das Jahr wird eben noch sehr schwer werden u. die Urlaubskarten können wir uns vorläufig an den Hut stecken. Mach’ also Deine Pläne völlig unabhängig von mir. Mein Kommen im Mai – Sept. ist völlig ausgeschlossen, davon bin ich heute schon innerlich überzeugt – warum soll man sich Illusionen vormachen. Diese Krise muss erst durchgestanden werden! Schlimm ist dies nun für Dich, mein Liebes! Alles musst Du nun allein erledigen. Ich werde nicht an Deinem Bettchen stehen können wenn Deine schwersten Stunden gekommen sind. Menschen, die Dir ferner stehen als Dein Mann werden Dich betreuen müssen. Für mich wird es auch eine schwere Zeit der Spannung werden – aber wir müssen die innere Stärke aufbringen und allem tapfer entgegentreten. Manches Mal hängt uns auch alles zum Halse heraus, aber man lässt sich trotzdem nicht unterkriegen. Gestern hatte ich auch eine Situation mit dem Spieß, wo ich zähneknirschend vor ihm stand, mich zur Disziplinlosigkeit hätte hinreißen lassen können, aber dann doch die Hacken zusammen schlug und nur „Jawohl Herr Hauptwachmeister“ antwortete. „Es geht ja alles vorüber, ...!“ Heute habe ich nun zum ersten mal wieder Dienst gemacht. Ich bekam eine Sonderaufgabe und musste allen Kameraden (u.a. auch dem Spieß) die das M.G. noch nicht beherrschen, „Nachhilfestunden“ geben. Das war wenigstens nach meinem Geschmack. Das Häuflein bei dem Komp. Tross ist immer kleiner geworden. Heute früh zog Bahr los und ich muss nun aufpassen, dass ich auch noch irgendwo unterkomme. Fast die gesamte Kompanie ist im Einsatz. In unserer Hütte sind wir nur noch 6 Mann. Es herrscht also vollkommene Ruhe und spätestens um 20 Uhr liegen wir in der Falle. Die Nächte werden zur Ewigkeit. Meistens sind wir schon früh um 5 Uhr wach! Mit den zurück gebliebenen Kameraden verstehe ich mich recht gut. Sie lernen mich nun auch näher kennen u. merken, dass ich auch zu ihnen innerlichen Kontakt finden kann. Ich wünsche mir nur, dass ich gesund bleibe. Diese Ischiasschmerzen waren wirklich ganz unangenehm. Ich war doch tagelang vollkommen gelähmt. Nun geht’s aber wieder gut – 4 Wochen sind dem Winter wieder abgewonnen worden u. immer noch ist das Wetter für russ. Begriffe recht milde. Ich danke Mutti dafür, dass sie sich auch um die Bücher bemühte. Hoffentlich könnt ihr sie doch noch auftreiben. Sprich’ doch bitte mal mit Vater darüber, ob er Lektüre über folgende Themen besitzt: Rassenkunde, bzw. „das Rassenproblem im 3. Reich“, „Vertrag von Versailles“, „Das Parteiprogramm“, „Nürnberger Gesetze“! Dies sind alles Themen, die bei einer O.A. Prüfung in Frage kommen können. Vielleicht gibt’s bei Reclam etwas darüber. Es dürfen aber nur konzentrierte Abhandlungen sein, dicke Bücher kann ich nicht erst durcharbeiten.
Mein Kleines, Liebes, dieser Brief wird Dich zwar etwas traurig stimmen, aber es ist besser, man schaut den Tatsachen fest ins Gesicht. Hauptsache, wir haben „Dusel“ und sehen uns alle einmal gesund wieder, wir uns, Wolfgang, Fränzchen (denen es sicher auch dreckig geht), die Eltern, Schwiegereltern. Du wirst Thusneldchen auch ohne mich zur Welt bringen, Klaus wird auch ohne mich die ersten Schritte zur Schule unternehmen – es wird alles schwer sein aber es wird gehen. Du weißt aber, dass ich mit allen Fasern meines Fühlens und Denkens bei Euch bin und mich nur der Gedanke an unser großes späteres Glück aufrecht und stark erhält.

Dein treuer Manni

 

 



Ansicht des Briefes

 

Briefe aus diesem Konvolut:
top