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Brief (Transkript)

Hans-Joachim S. an seine Frau am 15.02.1942 (3.2002.1214)

 

30. Brief

Sonntag, den 15. 2. 41 [1942]



Mein geliebtes kleines E.!

Heute ist Sonntag, seit vielen Tagen fand ich keine Zeit, Dir mein geliebtes Herzel, meine letzten Erlebnisse mitzuteilen. Heute aber muss es sein, denn morgen fährt ein Kamerad von einer befreundeten Formation nach Halle zum Kursus. Dieser wird auf schnellstem Wege dieses Brieflein mitnehmen. Es wird keine 4 Wochen gebrauchen, so wie alle Deine letzten Briefe, bis sie endlich in meine Hände gelangten. Es hat sich wieder viel getan! Wieder einmal Stellungswechsel, wieder also Quartieraufgabe. Gerade hatte man sich eingelebt, alles organisiert, alles hatte sich eingespielt – nun plötzlich wieder Sack und Pack aufgeladen und wie ein Nomade weitergezogen, von Ort zu Ort. Während des letzten Umzuges noch per Auto, wenigstens teilweise, ging – musste (eben war die erste Unterbrechung) der jetzige Umzug per Schlitten vorgenommen werden. Drei Meter hoch türmen sich zu beiden Seiten der Straße die Schneewälle – der Wind wehte Tag und Nacht – die Pferde versanken z. T. bis zum Bauch im Schnee. Ich sage Dir, es war ein Vergnügen, allerdings höchst zweifelhafter Art. Na, auch die Sache ging vorüber, drei Tage, (eben war die 2. Unterbrechung) sind wir nun wieder in unserem neuen Quartier. Zum ersten Mal wohnen wir mit Russen zusammen. Zehn Personen im Nebenraum – dann Helm., Paul und ich auch in einem größeren Raum – dann Hpt., Oblt., und Lt. Im 3. Raum. Leider nun wieder ohne (die 3. Unterbrechung) elektr. Licht. Mein Aufgabenbereich ist noch bereichert. (Die 4. Unterbrechung) Vom Benzinmotor bin ich zum Hafermotor übergegangen, ein flotter Traber und Schlitten steht jetzt für den Hptm. zur Verfügung und ich muss kutschieren. Zuerst schwitzte ich Wasser und Blut. Schliesslich hatte ich doch zum ersten Mal ein Pferd in der Hand. Dieser Traber hat auch allerhand Mucken, im Trab läuft er ab und zu, im Galopp aber nie! Außerdem bietet es auch einige Schwierigkeiten, mittels Zügel ein Pferd durch eine belebte Straße zu führen. 2 x bekam schon ein Passant die Deichsel in sein Hinterteil. (Die Unterbrechungen zähle ich jetzt nicht mehr). Ich bin nämlich ganz alleine im Hause. Helm., der gute Junge hat heute Geburtstag, ist schon seit morgens in der Garage und baut eine Kupplung aus, Paul muss dauernd „heranschaffen“, sei es unsere Verpflegung, Mobiliar besorgen, Heu, Hafer holen u.s.w. Ich habe seit 4 Stunden einen Oberst, seinen Adju. und unsere 3 Mann zu Gast. Großes Dinner wieder, anschließ. div. Schnäpse, schon 3 x Kaffee gekocht. Du kannst Dir die Stimmung denken. Dabei haben alle verflucht gar keinen Grund zur Ausgelassenheit, bzw. zur Freude. – Mein innig geliebtes Herzel, inzwischen sind wieder viele Stunden vergangen. 21 Uhr. Bei uns ist alles in angeregter Stimmung. Auch wir haben versch. Gläschen auf Euch, auf Euer Wohl getrunken. Und die größte Freude und Überraschung: Wolfgang rief eben an. Ich bin noch ganz erfüllt, voller Freude über diesen Anruf, besonders darum, dass er auch die Möglichkeit hat, Dich, mein innig geliebtes Evchen, anzurufen und Dir zu erzählen, dass ich wohlauf bin und Dich innig grüßen lasse. Vielleicht ist es mir auch mal möglich, Dich direkt zu erreichen. Das wäre doch das größte Erlebnis in Russland. Ach, mein Kleines, aus dem Lautsprecher ertönt sinnlichste Musik: ich tanz’ mit Dir in den Himmel hinein – und vor mir steht eine Ölfunzel, russische Laute klingen aus dem linken Nebenraum: Stimmung auf Grund überreichlichen Genusses geistiger Getränke. Auch wir sind guter Stimmung und stellten fest, dass Russland nur im Tran zu ertragen sei. Mein Liebes, wie gerne möchte ich jetzt bei Dir sein, Dich innig heiß umarmen, Dich küssen, Dich streicheln, Dich lieb haben, Aber nichts ist! Draußen heult der Schneesturm, der Traber steht angespannt da. Muss noch einige Offiziere in ihr Quartier fahren, da sie sonst nicht den Heimweg finden. Dabei bin ich selbst nicht ganz meiner Schritte Herr!
Ich könnte Dir heute noch viel erzählen. Es wird aber immer später! Die Unterbrechungen häufen sich. Deswegen morgen mehr.
Ich küsse Dich immer wieder tausend mal. Ich umarme Dich in Gedanken. Ich habe Dich lieb, immer ewig!
Tausend liebe Küsse

Dein Manile

Zum Schluss:
Evchen! Sprich mit keinem Mensch über Dinge, die ich Dir schreibe: diese sind nur für uns, für Dich und für mich, nicht aber für Fr. Rössler, Fr. Halet oder andere Leute. Sei vorsichtig! Es gibt nur Differenzen.

Dein Manile

 

 



Ansicht des Briefes

 

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