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Brief (Transkript)

Hans-Joachim S. an seine Frau am 23.04.1943 (3.2002.1214)

 

53. Brief

O.U., den 23. April 1943, Karfreitag



Meine liebe E.!

Dieses Mal war das Gerücht nun wahr, welches uns Post verhieß. Vier große Säcke trudelten ein, in diesen die ersten Päckchen nach der Sperre. Du kannst Dir vorstellen, welche ungeheure Spannung und Erwartung auf allen lastete als die Verteilung losging. Die jungen unverheirateten Kameraden bekamen teilweise bis zu 4 Päckchen. Mit diesen hat es aber eine besondere Bewandnis! Sie haben einen riesigen Briefwechsel mit jungen Mädchen vom Lande, die alle an „unbekannte Soldaten“ schrieben. Dieser Briefwechsel wird nun lediglich unter dem Motto: schicke mir ein nahrhaftes Päckchen, geführt. Die treuen Mädchen, die aber liebeshungrig sind, schicken nun treu u. brav. Mancher Soldat, der nach dem Kriege dann plötzlich untreu wird, wird versch. geknickte Mädchenherzen auf dem Gewissen haben. Groß war aber die Freude, als ich in Deinem lb. Brief las, dass auch 2 Osterpäckchen noch unterwegs sind. Mein Liebes, auch bei den verheirateten Männern geht die Liebe noch durch den Magen! Die größte Freude bereitete aber die Nachricht, dass Du in der letzten Zeit durch die Besuche bei Looses, Grothes und Hagens etwas Zerstreuung und Freude gefunden hast. Es sind ja alles nette Menschen, in ihrem Kreise wirst Du Dich sicher wohl gefühlt haben und etwas dem Chausseestr.-Milieu entrückt worden sein. Nur fehlt mir eine Nachricht von dem Zusammensein mit den Eltern! Lassen die Eltern oder Du nicht von sich hören? Wie geht es Vater, ist nun endlich alles behoben und fühlt sich Vater hundertprozentig wohl? Immer wieder lese ich Deine Briefe, trage sie, bis sie durch neue Post ersetzt werden, immer in der Brieftasche. Sie sehen zwar manchmal nach 8 Tagen doch aus, aber das macht nichts. Heute, am Karfreitag, gehen wieder meine Gedanken ganz besonders stark zu Euch, zu Dir, zu Klaus, zu Thusnelda. Wie schön war doch oft dieser Tag, wenn wir abends in der Oper saßen u. uns durch den guten Gurnemanz Lebensweisheiten predigen ließen. Österliche Vorfreude wurde erweckt und Ostern selbst ging’s hinaus in die eben erwachte Natur und es wurden Pläne für die Sommer geschmiedet. Auch jetzt sitze ich, an einem strahlenden Karfreitagstage, draußen im Freien, blicke in endlose Weite und denke an den schweren Sommer, der uns sicher manches schwere bringen wird – denn hier ist Hochbetrieb! Die nahe Rollbahn dampft und staubt unentwegt durch die riesigen Autoschlagen, die sich vorwärts bewegen. In der Luft dröhnt es ununterbrochen u. unsere Stukas fliegen einen Einsatz nach dem anderen. Wir sehen sie immer abfliegen, bombenbeladen, zählen genau ihre Anzahl und konnten bis jetzt immer feststellen, dass alle zurückkehrten. Es stimmt also sicher wenn es im H.-Bericht heißt: ohne eigene Verluste. – Des Führers Geburtstag ist nun auch vorüber und der Fliegerangriff, der vielleicht Berlin gegolten hatte, mussten nun Stettin und Rostock über sich ergehen lassen. Ob man dem Engländer nicht doch noch auf den Leib rückt, denn die Zerstörungen durch Fliegerangriffe sind doch im Westen recht beträchtlich! Meine ganze Hoffnung sind aber die Japaner – vielleicht greifen sie doch jetzt in diesem Krieg gegen Russland mit ein und bei einer großangelegten Offensive von 2 Seiten müsste man den Russen den letzten Schlag versetzen können! Nun mein Liebes, Ostern werdet Ihr schon verlebt haben wenn Ihr diesen Brief bekommt, aber trotzdem habe ich noch für alle Lieben herzliche Ostergrüße. Vor allem für die liebe Schwiegermutti u. Opa. Wenn ich auch nur an Dich schreibe, so denke ich oft u. immer wieder an sie, an ihre unermüdliche u. treue liebe Unterstützung, die sie uns beiden immer wieder zuteil kommen ließen. Meine Aufgabe soll es nach dem Krieg sein, durch meine Arbeit ihre schweren Pflichten u. Aufgaben zu erleichtern u. dem guten Opa u. der Mutti dadurch einige Stunden u. Tage der Entspannung u. Erholung zu verschaffen. So grüße ich Euch an diesem herrlich-sonnigen Karfreitagstage aus weiter weiter Ferne – u. bin trotz allem in Eurer Mitte!

Euer Vatile

 

 



Ansicht des Briefes

 

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