Brief (Transkript)
Ernst Emmerich an seine Eltern am 11.12.1914 (3.2011.3530)
11.12.
Noch in der Stellung von gestern als Deckung für die Artillerie. Hoffentlich lassen uns die Russen in Ruhe wie gestern. – Die Suhler, über die Ihr Nachricht haben wolltet, sind alle noch gesund davon gekommen, so weit sie mir bekannt sind. Schuster Heim von der Roeder, dessen Frau und Kinder Weihnachten oder Neujahr ich Euch bitte ein wenig zu beschenken. Der Gehilfe von Beuther ist mir vorgestern auch noch gesund begegnet, seitdem ist ja nicht weiter passiert. Ein gewisser Gsell, der in Suhl arbeitet, ist auch noch wohl. - Die meisten Suhler sind ja in der 5. Kompanie, also 2. Bat., für uns unerreichbar. - O. Werner soll übrigens wie bei uns erzählt wird, dem Kopfschuß von Konin erlegen sein. Hans Schlegelmilch ist noch immer nicht bei der Truppe, sondern bei der Divisionsbagage. Weitere Suhler sind mir nicht bekannt. Der Sohn des Albrechtser Kantors Gutjahr ist mein Korporalschaftsführer. - Ich selbst werde ja von allen Seiten ausnehmend gut behandelt, sehe doch aber gar viel wenig schönes von den Unteroffizieren bis hinauf zum Feldwebel. Man sollte wirklich meinen, daß sie ein bischen mehr Anstand besäßen. Die Leute sind sehr zornig u. drohen täglich mit der Zeitung nach dem Kriege. Das wird viel neue Hassessaat nachher geben. Man muß aber den Leuten Recht geben, so sehr es zu bedauern ist, daß neue Spaltungen sich schon vorbereiten. Ausnahmen sind selten u. werden von den Leuten äußerst dankbar anerkannt. Bewunderungswürdig ist nur, daß es dabei nicht ein kleines Schwanken in der Disziplin setzt: ich glaube allerdings, daß auch das anders sein würde, wenn nicht jeder Einzelne von der Notwendigkeit des Kampfes und Sieges überzeugt wäre. - Jedenfalls giebts über den Punkt ne Menge zu erzählen. - Das Schreiben im Stehen, zu dem ich gezwungen bin, strengt die Beine sehr an, ich werde mich lieber legen u. frühstücken. Schickt bitte eine Reservebrille, beide Augen 2,5 kurzsichtig. - Schokolade ist nicht Genußmittel, sondern bei der unregelmäßigen Lebensweise zur Gesundheit notwendig. Karten u. Briefpapier ist immer willkommen. Allen Verwandten herzliche Weihnachtsgrüße, denn viel eher wird der Brief Euch wohl nicht erreichen.
Ernst.
Ansicht des Briefes
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