Brief (Transkript)
Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 19.07.1917 (3.2012.2822)
19. Juli 1917.
232.
Meine Lieben!
Ich ergreife die willkommene Gelegenheit, Euch einen kurzen Gruß zukommen zu lassen durch den Landsturmmann Melchers, den Bruder unseres Herrn Major, der hier beim Stabe als Militärgerichtsschreiber fungiert und morgen auf Urlaub fährt. Er wirft den Brief irgendwo in Deutschland in den Kasten, so bekommt Ihr wohl diesen Brief lang vor den andern, die wegen der Sperre nicht weiterkönnen. - Ihr seid ja nun sicher sehr gespannt, etwas Näheres über die Vorgänge hier bei uns u. neben uns zu hören.
In aller Stille und Schnelligkeit wurden die Vorbereitungen zum großen Angriff getroffen. Sie konnten umso unauffälliger vor sich gehen, da die Verstärkung der Front als natürliche Reaktion auf die russischen Angriffe angesehen werden mußte. Die 2 letzten Sonnentage hatten die von neulichen Dauerregen arg mitgenommenen Wege wieder fahrbar gemacht, so konnte die große Sache losgehen. Heute früh Punkt 300 bellten die Geschütze los gegen die russ. Stellung von Zagygn[?] ab nach Süden, 1 ½ Stunden später setzte auch bei uns ein wüstes Zerstörungsfeuer gegen die russ. Stellung bei Pieniaki[?] (Oberlauf des Jeret[?]) ein. Daran beteiligten sich auch mittl. u. schwere Minen Werfer, die ganz unheimlich wirkten) In der letzten halben Stunde steigerte sich das Feuer der Artillerie u. Minenwerfer zu einem Vernichtungsfeuer fürchterlichster Art.
645 brachen unsere Sturmpatrouillen in die russ. Linien ein u. kehrten 1 Stunde später mit 22 Gefangenen zurück. Die erste russ. Linie war vollständig eingeebnet. Die fdl. Minenwerfer, die dort standen, u. die MG. in Trümmer geschossen. - Kurz vor 10 Uhr inszenierten wir bei uns zur Ablenkung einen Gasangriff, Punkt 10 Uhr ging dann zwischen Zargcyn[?] u. Bartow[?] der Hauptsturm los, von Garde Regimentern ausgeführt u. Mitwirkung von Ungarn. Die 3. russ. Linie war bald erreicht u. die Männer im Wald verschwunden. Bereits um die Mittagszeit waren sie in 5 km Tiefe durchgestoßen u. hatten die […] genommen, die am Abend mit großer Artillerievorbereitung gestürmt werden sollten. Beim Reg. Stab des ung. Nachbarregiments, zu dem Johannes als Verbindungsoffizier kommandiert ist, wurden allein 500 Gefangene vorbeigeführt. Die Einbruchstelle verbreitert sich immer mehr nach Süden, heute Abend munkelt man von 10000 Gefangenen. Auch weiter nördl. wurde bei einem Unternehmen 1 MG, 2 Offiz. und 50 Mann an Gefangenen gemacht. Vorhin bekam ich Meldung, daß eine Patrouille von uns, die bei Einbruch der Dämmerung nochmal gegen die Einbruchstelle von heute früh erging, 3 Gefangene mitgebracht hat. Das ist doch famos gelt. - Wenn die große Offensive so weitergeht, wie sie heute begonnen hat, dann wehe Rußland! Das schöne Feuchtland der Bukowina u. Ost-Galiziens geht ihm dabei verloren u. die Lust zum Weitertun erstraht[?]! - Ich hatte seit heute früh 3 Uhr – jetzt ist es 10 Minuten vor Mitternacht – natürlich sehr viel zu tun, aber es macht einen Heidenspaß, doch mal bißchen bei einer größeren Sache dabei zu sein u. als Regim. Adjutant bekommt man doch am meisten zu hören vor allen anderen. Mir geht es ausgezeichnet, wie mir\'s besser garnicht gehen könnte. Die Russen verschonen uns vollständig hier, das find ich sehr anständig aber es gehört sich schließlich auch so, daß man beim Stab in seiner Arbeit nicht gestört wird. - Heute erhielt ich Mutti\'s lieben Brief von der Darmstadt-Fahrt u. die hübsche Karte aus Langsdorf. Für beides vielen herzlichen Dank. Da scheint ja allmählich die ganze Grillparzerstraße 90 aufgelöst zu werden. - Es ist fein, daß Steffel Euch eine so schöne Sauerfasse[?] angewiesen hat. Wann gedenkt Ihr denn zu fahren? Wann ich auf Urlaub komme, kann ich jetzt noch nicht sagen. Mein Kommandeur hat 4 Wochen Urlaub eingereicht, er wird wohl nächstens wegfahren. Solange kann ich natürlich nicht weg. Das würde ja auch ganz gut passen, dann könnte ich vielleicht gerade zu Vati\'s Geburtstag in Frankfurt sein. Und hier von Galizien aus gibt es immer gleich 3 Wochen Urlaub, dazu 6 Reisetage, das ist schließlich nicht zu verachten. - So, nun aber Schluß! - Bitte grüßt mir doch alle Bekannten u. erzählt ihnen, daß es mir gut geht. Ich habe wirklich gerade nur Zeit, an Euch zu schreiben. - Nun lebt wohl! Heil u. Sieg! und 1000 herzliche Grüße Euer Euchliebender Wolf.
Ansicht des Briefes
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