Brief (Transkript)
Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 25.02.1917 (3.2012.2822)
V. 25. II. 1917. Sonntag
149.
Meine Lieben!
Heute schicke ich Euch mal das Bild meines Divisionskommandeurs, der in Frankfurt mal die 81er geführt hat. Der Gesichtsausdruck auf der Postkarte ist sehr gut. Der General kneift nämlich immer ein Auge zu, wenn er mit einem redet und hat sehr breite wagerechte Schultern [Skizze von Torso], eben richtig der Generalstyp. Die Postkarte kostet 3,333 Pfennig ist also zu erschwingen, sie wird in den Soldatenheimen hier sehr viel gekauft. Die Einrichtung der Soldatenheime ist Euch wohl bekannt. Fast in jeder milit. belebteren Ortschaft ist ein Haus als Soldatenheim eingerichtet, dort sind geheizte Räume, Bücherei, Kantine mit billigen mit billigen Waren, Kaffe u. Heringssalat können die Leute sich für ein Paar Pfennige erstehen, Zeitungen liegen auch, […] sind da, Cigarren werden oft unentgeltlich verabfolgt[?], ein Klavier wird, wenn irgend möglich auch hineingestellt u. findet immer gleich kundige u. gewandte[?] Spieler, kurz die Soldaten haben auch für ihre Freizeit ein wirkliches gemütliches Heim u. sind nicht zum Besuch der Wirtschaften gezwungen. Hier in V. ist dann z. B. auch eine Militärbadeanstalt, in der die Soldaten jeder Zeit bestandes[?] und sauber baden können, eine Baderstube ist da, die ich vorhin, als ich mir[?] die Haare schneiden lassen wollte, voll besetzt fand. Am Waldrand liegt ein hübscher Ehrenfriedhof, auf dem jetzt ein vor einigen Tagen an Hirnhautentzündung u. allgem. Körperschwäche verstorbener Rumäne begraben wird. Die gefangenen Rumänen, die hier Straßenarbeiten tun, machen einen recht abstoßenden Eindruck. Sie sind unglaublich verwahrlost, doch das liegt wohl größtenteils an Ihnen selber u. dann sind sie schrecklich verhungert, heben ausgedrückte Citronen aus der Gosse auf u. stecken sie in den Mund, auf den […] fressen sie […] u. holen sich dabei die scheußlichsten Darmkrankheiten. Ihre Verpflegung mag ja nicht genau sein, viel schlechter als unsre ist sie groß[?] nicht (bekommen z. B. etwas mehr Fleisch als wir) und unsre Verpflegung ist immer noch sehr gut. Die Leute sagen mir, wenn die Verpflegung so bliebe, dann könnten sie es noch lang aushalten. -
Ich lege hier noch 2 Sachen für\'s Kriegsarchiv bei, Mami[?] soll sie nicht verschlampen. Die beiden Rechnungen von […] blos „zur Kenntnisnahme“, wie ich jeden Tag 3 Dutzenmal schreibe.
Gestern Abend war ich unvernünftig[?], kam etwa ½ 11 vom Kasino nach Hause und hab noch bis um 2 Uhr gelesen (seit Festst.[?] habe ich das glaube ich nie getan). Die „Goldene Kette“ von Hegeler fesselte mich, weil sie einen mal so ganz aus dem Krieg herausbrachte u. ohne heftige Anstrengung genossen werden konnte. Ich weiß nicht, ob Ihr sie kennt, es ist ein Ullsteinbuch, das mir ein Wehrmann geliehen hat.
Nun Ade! Hoffentlich habt Ihr auch so einen Sonnentag wie ich heute!
1000 hrzl. Grüße Euer Euch. Wolf.
Ansicht des Briefes
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