Brief (Transkript)
Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 13.03.1915 (3.2012.2822)
Brécy sur Aisne, 13. 3. 1915.
№ 55.
Meine Lieben!
Gestern Abend erhielt ich Eure lieben Paketchen 77 u. 73. 1000 Dank dafür. Ich hatte zwar, angekündigterweise, in 73 die „Champagne“ erwartet und als ich das länglich runde Paketchen erhielt, war ich schon etwas stutzig, dachte aber, daß das Buch brochiert ist. Wie ich aber öffne, fallen auf einmal Orangen heraus. Im ersten Augenblick war ich etwas enttäuscht, aber im nächsten war auch schon das Messer aus der Tasche und ich schwelgte im Genusse des lang entbehrten Obstes. Die „Champagne“ wird dann schon noch kommen! - Das herrliche Allerleipaketchen macht mir viel Spaß! - Mein Tun und Treiben ist das ewig gleiche, Mistladen und Mistfahren sind jetzt unsere Tätigkeit für\'s Vaterland. Ich hoffe, daß wir oder wenigstens wir Jungen bald fortkommen. Es taugt doch nichts\'s daß wir uns hier hinter der Front herumdrücken, während vorn alte Landwehrleute tätig sein müssen. Ich habe auch schon mit unserem Oberleutnant darüber gesprochen, aber er kann halt auch nichts machen. Es geht alles vom Oberst oder vom Generalkommando aus, und nach welchem Schema die arbeiten, kann niemand wissen, der nicht eben beim Generalkommando ist. Ich sprach heute beim Pferdebewegen lange mit Herrn Wachtmeister Geisow (so die richtige Anrede des Offizstellvertreter) und fragte ihn, ob keine Aussicht sei, daß wir bald fortkämen. Da sagte er: „Wir müssen doch erst noch den Mist auf die Felder fahren, eher können wir doch nicht fort!“ Herr Dr. Geisow ist überhaupt furchtbar spaßig. Er macht sich über alles lustig, aber immer geistreich. Ich bin jedenfalls sehr froh, daß er jetzt einen seinem Bildungsgang und Verstand mehr entsprechenden militärischen Rang bekommen hat. - Wir haben jetzt (von oben befohlen!) sehr kasernenmäßigen Drill. Die Zeit ist genau eingeteilt. Aber das schadet nichts. Ich tue meinen Dienst u. denke im übrigen: Du kannst mir den Buckel naufsteigen. Meine Pferde müssen das jeden Tag denken! - 1000 herzliche Grüße
Eurer Euchliebender Wolf.
Ansicht des Briefes
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