Brief (Transkript)
Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 29.01.1917 (3.2012.2822)
131.
Meine Lieben!
Soviel man hier erfahren kann, ist augenblicklich Postsperre, sodaß Ihr überhaupt nicht's von mir zu hören bekommt. Ich habe nun Gelegenheit, Euch über Freiburg durch die Reichspost eine Nachricht zukommen zu lassen, die Euch wenigstens ein Lebenszeichen von mir gibt und Euch den Grund des langen Schweigens erklärt, das immerhin lange andauern kann, ohne daß man etwas Genaues darüber erfährt.
Mir geht's also nach wie vor ganz ausgezeichnet. Ich habe mich in die Adjutantengeschäfte jetzt schon ganz schön eingelebt u. habe viele Freude daran, wenngleich es gehörig zu tun gibt, weil ich nicht alles dem Schreiber überlasse, wie man es auch tun könnte. Vor allem die Sachen, die Stellung und Feind angehen, mache ich alle persönlich. Ich trete dadurch ja auch mit Johannes häufig in Verbindung, der, wie ich Euch ja schrieb, nun auch glücklich sich zum Stab verdrückt hat als Beobachtungsoffizier. Wenn der beurlaubte Adjutant wiederkehrt, dann ziehe ich mit Johannes zusammen, um meine Nahkampfmittelsachen weiter zu „bearbeiten“ (ich zeichne viel Kartenskizzen und Tabellen dafür), wenn mich nicht das Regt. schon dann zum Stabe reicht und ich nicht, was auch nicht auszuschließen wäre, auf das Geschäftszimmer das Batl. unten in der Etappe käme. (Hier oben ist nur das „Gefechtsgeschäftszimmer“, wenn ich so sagen soll, drunten hätte ich's dann überhaupt nur mit „Bürokratismus“ zu tun.)
Übrigens, ich glaube, Ihr hört nur mit halben Ohr dem Vorlesenden zu und wartet immer auf einen spannenden Kommentar zum Tagesbericht vom 28.I.1917. Ich bin sehr froh, daß die Regimentsnummer darin genannt ist, so weiß ich Euch ohne Sorge. Wir hatten garnichts damit zu tun, ich saß, während die Unternehmung vor sich ging, an meinem Schreibtisch und sah mir die Unterschriftenmappe durch: Urlaubsgesuche, Empfangsbescheinigung von Liebespaketen, Summrollenauszüge[?] und andere kriegerische Dinge mehr! Wir erfuhren dann sofort durch den Fernsprecher die Zahl der Gefangenen und unsre geringen Verluste (1 Toten, 3 oder 4 leicht Verw.) Franzosen hatten anscheinden ziemliche Verluste, ihre Stellung ist vollständig eingedämmert, sie hatten nach Gefangenenaussagen nicht im geringsten an einen deutschen Überfall gedacht, waren erst vor ein paar Tagen hierher gekommen, nachdem sie sich in der Etappe einige Wochen von der Somme ausgeruht hatten. Mehr konnten wir bisher nicht erfahren, wir liegen gerade auf der anderen Seite vom Berg.
Für Eure lieben Briefe u. Karten der letzten Zeit vielen 1000 Dank, ich konnte sie nicht einzeln beantworten, oft hat man gerade mal 5 Minuten zum Briefschreiben, dann muß man schnell sehen daß man wenigstens zum Anschriftschreiben kommt, den Briefbogen kann man dann meist erst mit der nächsten 5 Minuten Gelegenheit ausfüllen und da berichtet man halt schnell ein bißchen über sich und findet keine Zeit mehr den anderen zu danken.
Sehr betrübt hat mich Lisettle's plötzliches Hinscheiden. Daß es so schnell gehen sollte, hätte ich doch nicht gedacht, wie wohl es ja zu erwarten war, daß dieses vegetieren nicht mehr lange dauern konnte. Für die Aschlauten[?] u. Lisettle war's so wohl ein Segen, daß sie still und schmerzlos heimgehen durfte. Von Großvati erhielt ich bereits einen Brief und gleichzeitig die Todesanzeige. Schade nur ist's, daß keins von uns Frankfurter der Lieben das letzte Geleite hat geben können, auch für die Aschlauten[?] wäre es doch ein bißchen Trost u. Zerstreuung gewesen in den schweren Tagen.-
Mutti's lieben Brief mit der Einlage (Brief aus Colmar[?]) erhielt ich gestern mit herzlichem Danke. An Voigt's werde ich dieser Tage schreiben, es ist doch sehr wohl möglich, daß ich sie mal besuchen werde, wahrscheinlich schon in den nächsten Wochen.
- Ich schicke Euch hier ein paar Bildchen, die ich so um die Weihnachtszeit herum gemacht habe und drunten in S. entwickeln ließ. Die Abzüge sind schlecht durchweg, die Negative schicke ich demnächst, dann könnt Ihr sehen, daß man auf ihnen eine ganze Menge sieht, was auf den Abzügen überhaupt nicht zu ahnen ist. Ganz interessant sind die Bilder von den Bergen. Ich müßte Euch freilich eine genaue mündliche Erklärung zu all den Bildern geben, so seht Ihr eben bloß Berge und müßt Euch vorstellen, daß die in den Händen der Franzosen sind. Wie da franz Stellung läuft und warum die Franzosen einen da nicht totschießen, wenn man das photographiert, das zu Papier zu bringen wäre zu umständlich.Aus den Rodelbildern seht Ihr, daß auch der Stab recht vergnügt sein kann. Die Bilder von mir sind leider schlecht belichtet, damals hatte ich eben noch keine Gelbscheibe, aber jetzt ist mir ja eine Schneeaufnahme ein Kinderspiel han[?] han[?] und ich werde jetzt baldigst wieder ein bißchen photon. Hund habe ich augenblicklich keinen mehr, wenn ich nicht den vom Adjutanten zurückgelassenen Köter als mein augenblickliches Eigentum ansehn will. Freilich kann diese Spottgeburt aus Dreck und Feuer mit gutem Gewissen keinen Anspruch auf die Bezeichnung Hund machen: er gleicht etwa der kubistischen Darstellung einer konzentrierten Hundeausstellung, einem Hunde niemals!
Für das liebe Paketle mit dem herrlichen Inhalt vielen 1000 Dank. Denkt Euch nur, wie großartig, am 27.I.17, Sieglibs[?] und Kaisers Geburtstag, hatte ich Johannes zum Kaffee in meinem Adjutantenzimmer. Mittags war das Paketle aus Frankfurt gekommen und ich sagte noch zu Johannes, da könnte was drin sein für den Magen, wollens doch lieber noch vor dem Kaffee aufmachen, und wirklich, mein Geruchssinn hatte mich nicht getäuscht, ein prächtiger Honigkuchen und andere feine Dinge entstanden der bergenden Hülle. *)
*)Wie stellen sie sich das vor? Köhler“
und wurden mit großer Freude betrachtet und – verzehrt. Das hast Du wieder großartig eingerichtet, liebes Muttle, daß wir nun gleich so Geburtstag feiern konnten. - Das Paket mit dem Zucker weiß ich zu meiner Freude in Eurem Besitz, den Speck werdet Ihr inzwischen erhalten haben. An letzterem habe ich kein Verdienst, ich bekam ihn im Weihnachtspaket von den Bregenzer Großeltern, wir haben hier - besonders jetzt beim Stab, so reichlich u. vielseitig zu futtern, daß ich garnicht wüßte, wann ich Speck essen sollte, und Ihr mit Euren vielen Kranken könnt ihn sicher gut brauchen. - Ein Paket geht mit diesem Brief von Fr. an Euch ab, laßt's Euch gut schmecken. - Nun ade, laßt's Euch ebenso gut gehen wie ich mir u. seid 1000 mal gegrüßt von Eurem Euchliebenden Wolf.
[?]. Meine Wünsche vom 27.I.17 galten neben dem Geburtstagskind vor allem Euch meine lieben Eltern auf ein glückliches Gedeihen des Bübles!
[?]. Meine Weihnachtspaket-Briefschulden sind: Daramann[?], [...], Kein, Emmy Branfelds, [...]
, […] […], […] […], […] […] […]. Den beiden Großmüttern, Frl. Arndt u. Frau [Kutz?] i. Cleve habe ich gedankt. Daß ich selbst obgenannten jungen Damen noch nicht geschrieben habe, wird Euch wohl Beweis genug sein, daß ich wirklich noch keine Zeit dazu hatte. Auch meine Freundin in Cleve, Milly […] (Tochter von [...]ariusmann) hat mich zu Weihnachten reichlich bedacht u. ich habe ihr noch nicht geschrieben.
Batl.Geschäftstand, 29. I. 1917.
Meine Lieben!
Soviel man hier erfahren kann, ist augenblicklich Postsperre, sodaß Ihr überhaupt nicht's von mir zu hören bekommt. Ich habe nun Gelegenheit, Euch über Freiburg durch die Reichspost eine Nachricht zukommen zu lassen, die Euch wenigstens ein Lebenszeichen von mir gibt und Euch den Grund des langen Schweigens erklärt, das immerhin lange andauern kann, ohne daß man etwas Genaues darüber erfährt.
Mir geht's also nach wie vor ganz ausgezeichnet. Ich habe mich in die Adjutantengeschäfte jetzt schon ganz schön eingelebt u. habe viele Freude daran, wenngleich es gehörig zu tun gibt, weil ich nicht alles dem Schreiber überlasse, wie man es auch tun könnte. Vor allem die Sachen, die Stellung und Feind angehen, mache ich alle persönlich. Ich trete dadurch ja auch mit Johannes häufig in Verbindung, der, wie ich Euch ja schrieb, nun auch glücklich sich zum Stab verdrückt hat als Beobachtungsoffizier. Wenn der beurlaubte Adjutant wiederkehrt, dann ziehe ich mit Johannes zusammen, um meine Nahkampfmittelsachen weiter zu „bearbeiten“ (ich zeichne viel Kartenskizzen und Tabellen dafür), wenn mich nicht das Regt. schon dann zum Stabe reicht und ich nicht, was auch nicht auszuschließen wäre, auf das Geschäftszimmer das Batl. unten in der Etappe käme. (Hier oben ist nur das „Gefechtsgeschäftszimmer“, wenn ich so sagen soll, drunten hätte ich's dann überhaupt nur mit „Bürokratismus“ zu tun.)
Übrigens, ich glaube, Ihr hört nur mit halben Ohr dem Vorlesenden zu und wartet immer auf einen spannenden Kommentar zum Tagesbericht vom 28.I.1917. Ich bin sehr froh, daß die Regimentsnummer darin genannt ist, so weiß ich Euch ohne Sorge. Wir hatten garnichts damit zu tun, ich saß, während die Unternehmung vor sich ging, an meinem Schreibtisch und sah mir die Unterschriftenmappe durch: Urlaubsgesuche, Empfangsbescheinigung von Liebespaketen, Summrollenauszüge[?] und andere kriegerische Dinge mehr! Wir erfuhren dann sofort durch den Fernsprecher die Zahl der Gefangenen und unsre geringen Verluste (1 Toten, 3 oder 4 leicht Verw.) Franzosen hatten anscheinden ziemliche Verluste, ihre Stellung ist vollständig eingedämmert, sie hatten nach Gefangenenaussagen nicht im geringsten an einen deutschen Überfall gedacht, waren erst vor ein paar Tagen hierher gekommen, nachdem sie sich in der Etappe einige Wochen von der Somme ausgeruht hatten. Mehr konnten wir bisher nicht erfahren, wir liegen gerade auf der anderen Seite vom Berg.
Für Eure lieben Briefe u. Karten der letzten Zeit vielen 1000 Dank, ich konnte sie nicht einzeln beantworten, oft hat man gerade mal 5 Minuten zum Briefschreiben, dann muß man schnell sehen daß man wenigstens zum Anschriftschreiben kommt, den Briefbogen kann man dann meist erst mit der nächsten 5 Minuten Gelegenheit ausfüllen und da berichtet man halt schnell ein bißchen über sich und findet keine Zeit mehr den anderen zu danken.
Sehr betrübt hat mich Lisettle's plötzliches Hinscheiden. Daß es so schnell gehen sollte, hätte ich doch nicht gedacht, wie wohl es ja zu erwarten war, daß dieses vegetieren nicht mehr lange dauern konnte. Für die Aschlauten[?] u. Lisettle war's so wohl ein Segen, daß sie still und schmerzlos heimgehen durfte. Von Großvati erhielt ich bereits einen Brief und gleichzeitig die Todesanzeige. Schade nur ist's, daß keins von uns Frankfurter der Lieben das letzte Geleite hat geben können, auch für die Aschlauten[?] wäre es doch ein bißchen Trost u. Zerstreuung gewesen in den schweren Tagen.-
Mutti's lieben Brief mit der Einlage (Brief aus Colmar[?]) erhielt ich gestern mit herzlichem Danke. An Voigt's werde ich dieser Tage schreiben, es ist doch sehr wohl möglich, daß ich sie mal besuchen werde, wahrscheinlich schon in den nächsten Wochen.
- Ich schicke Euch hier ein paar Bildchen, die ich so um die Weihnachtszeit herum gemacht habe und drunten in S. entwickeln ließ. Die Abzüge sind schlecht durchweg, die Negative schicke ich demnächst, dann könnt Ihr sehen, daß man auf ihnen eine ganze Menge sieht, was auf den Abzügen überhaupt nicht zu ahnen ist. Ganz interessant sind die Bilder von den Bergen. Ich müßte Euch freilich eine genaue mündliche Erklärung zu all den Bildern geben, so seht Ihr eben bloß Berge und müßt Euch vorstellen, daß die in den Händen der Franzosen sind. Wie da franz Stellung läuft und warum die Franzosen einen da nicht totschießen, wenn man das photographiert, das zu Papier zu bringen wäre zu umständlich.Aus den Rodelbildern seht Ihr, daß auch der Stab recht vergnügt sein kann. Die Bilder von mir sind leider schlecht belichtet, damals hatte ich eben noch keine Gelbscheibe, aber jetzt ist mir ja eine Schneeaufnahme ein Kinderspiel han[?] han[?] und ich werde jetzt baldigst wieder ein bißchen photon. Hund habe ich augenblicklich keinen mehr, wenn ich nicht den vom Adjutanten zurückgelassenen Köter als mein augenblickliches Eigentum ansehn will. Freilich kann diese Spottgeburt aus Dreck und Feuer mit gutem Gewissen keinen Anspruch auf die Bezeichnung Hund machen: er gleicht etwa der kubistischen Darstellung einer konzentrierten Hundeausstellung, einem Hunde niemals!
Für das liebe Paketle mit dem herrlichen Inhalt vielen 1000 Dank. Denkt Euch nur, wie großartig, am 27.I.17, Sieglibs[?] und Kaisers Geburtstag, hatte ich Johannes zum Kaffee in meinem Adjutantenzimmer. Mittags war das Paketle aus Frankfurt gekommen und ich sagte noch zu Johannes, da könnte was drin sein für den Magen, wollens doch lieber noch vor dem Kaffee aufmachen, und wirklich, mein Geruchssinn hatte mich nicht getäuscht, ein prächtiger Honigkuchen und andere feine Dinge entstanden der bergenden Hülle. *)
*)Wie stellen sie sich das vor? Köhler“
und wurden mit großer Freude betrachtet und – verzehrt. Das hast Du wieder großartig eingerichtet, liebes Muttle, daß wir nun gleich so Geburtstag feiern konnten. - Das Paket mit dem Zucker weiß ich zu meiner Freude in Eurem Besitz, den Speck werdet Ihr inzwischen erhalten haben. An letzterem habe ich kein Verdienst, ich bekam ihn im Weihnachtspaket von den Bregenzer Großeltern, wir haben hier - besonders jetzt beim Stab, so reichlich u. vielseitig zu futtern, daß ich garnicht wüßte, wann ich Speck essen sollte, und Ihr mit Euren vielen Kranken könnt ihn sicher gut brauchen. - Ein Paket geht mit diesem Brief von Fr. an Euch ab, laßt's Euch gut schmecken. - Nun ade, laßt's Euch ebenso gut gehen wie ich mir u. seid 1000 mal gegrüßt von Eurem Euchliebenden Wolf.
[?]. Meine Wünsche vom 27.I.17 galten neben dem Geburtstagskind vor allem Euch meine lieben Eltern auf ein glückliches Gedeihen des Bübles!
[?]. Meine Weihnachtspaket-Briefschulden sind: Daramann[?], [...], Kein, Emmy Branfelds, [...]
, […] […], […] […], […] […] […]. Den beiden Großmüttern, Frl. Arndt u. Frau [Kutz?] i. Cleve habe ich gedankt. Daß ich selbst obgenannten jungen Damen noch nicht geschrieben habe, wird Euch wohl Beweis genug sein, daß ich wirklich noch keine Zeit dazu hatte. Auch meine Freundin in Cleve, Milly […] (Tochter von [...]ariusmann) hat mich zu Weihnachten reichlich bedacht u. ich habe ihr noch nicht geschrieben.
Ansicht des Briefes
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