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Brief (Transkript)

Ludwig Kerstiens an seine Mutter am 4.9.1944 (3.2002.0822)

 

O.U. 4.9.44



Liebe Mutter.

Nun ist es soweit. Gestern in der Nacht kam Alarm: alles packen. Inzwischen ist zwar schon Mittag vorbei, aber das ist ja nun mal wohl immer so. Jedenfalls ist heute unser letzter Ruhetag. Morgen rollen die Räder wieder für den Sieg. Wohin? – feindwärts – mehr wissen wir auch nicht. Ost oder West, Süd oder …. Auf den Feind treffen wir ja doch überall. Weißt Du noch, als wir voriges um diese Zeit – heute kamen wie an – romantisch-lyrische Stunden und Tage auf dem Kirchturm von Habargue erlebten, wie wir der Sonne entgegenströmten und auf den „leeren Seiten“ Hölderlins Schönheit und Fülle lasen? Heute ist dieser Kirchturm vielleicht der Stand eines vorgeschobenen Beobachters, der letzte deutsche Stand gegen den Feind.
So ist auch der heutige Tag der Hort der Ruhe und des Friedens gegen den Krieg. Morgen ……. Ja, Morgen ….. Doch warum in der Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah.
Heute freuen wir uns noch einmal sorgenlos des sonnigen Spätsommertages, denken an die Spaziergänge und Ausflüge die wir heute zu Hause gemacht hätten, träumen von dem „wenn nicht“. Vor allem aber verlieren wir nicht Zuversicht und Hoffnung im Kleinen wie im Großen. Wenn auch Tausende fallen, Millionen kommen heim. Gott wird uns schon den richtigen Weg führen.
Wie geht es Euch überhaupt noch. Das ich 3 Tage lang keine Post bekomme, ist doch höchst selten. Aber der letzte Gruß ist ja noch nicht 10 Tage alt. Demnächst werden wir wohl wieder länger warten müssen. Gespannt bin ich wohl wie Ihr, wielange es dauert, bis ich Waffenschule komme. Wie schön wäre es doch , wenn wir uns zu Weihnachten sehen könnten! Das sind viele Sprünge, aber nach 3 Jahren ein gemeinsames Weihnachtsfest, das würde schon eine lange Vorfreude lohnen. Doch zuerst kommt nochmal der Einsatz.
Mit herzlichem Gruß an alle, denen ich vielleicht die nächste Zeit nicht schreiben kann
Dein Ludwig


O.U. 4.9.44



Abschiedsgruß

Vater, Mutter, all Ihr Lieben
Euch sei letzter Gruß gesandt.
Ich muß wieder in das Ringen
mich ruft unser Vaterland.

Hätt ich euch doch noch umarmen können,
ein liebes Abschiedswort gesagt!
nur in Gedanken kann ich euch
Umschließen
denn mich ruft noch heut die Schlacht-

Ich muß ziehen, doch Ihr werdet
nimmer mich im Kampf verraten,
Ihr werdet ständig mich begleiten:
mich rufen dringend meine
Kameraden.


 

 



Ansicht des Briefes

 

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