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Brief (Transkript)

Ludwig Kerstiens an seinen Vater am 3.10.1943 (3.2002.0822)

 

Frankreich 3.X. 43



Lieber Vater.

Nun ist wirklich mal Sonntag. Sonntag? Ja, das war schon früher ein schöner Tag im Familienkreise; aber jetzt, wo man die Woche nicht zum Aufatmen kommt, wo man noch bis nachts um 1/2 2 Übung hatte, wo man keine Freizeit mehr kennt, da ist ein Sonntag fast wie Weihnachten. Schon beim Aufstehn lachte uns ein feiner Sonnenaufgang entgegen und jetzt brennt sie mir warm auf den Rücken. Heute morgen waren wir in Arras, endlich mal wieder brausen. Das war eine Wohltat! Anschließend hatten wir dann eine Stunde gut frei. Viel habe ich zwar nicht gesehen, aber das Schönste bestimmt: den „kleinen“ und „großen“ Platz, beide ganz stilrein aus dem 16. Jahrhundert. Als Abschluß des kleinen Platzes in der Morgensonne ein Rathaus! Das war allein mehr als die Fahrt wert. Es erinnerte an die belgischen Rathäuser des Übergangs von Gotik zur Renaissance, mit einem vollendet schönen etwas späteren Turm. – Und das wieder nach dem Dorf. Hier in Frankreich scheint es Kultur wirklich nur in den Städten zu geben. Dann war ich im Wehrmachtsgottesdienst und schon war die Zeit um. Natürlich haben wir auch noch eingekauft. Obst und Kuchen. Da geht aber ein Geld drauf! Hier habe ich zum ersten mal zu wenig. – Als einziger war übrigens mit mir in der Kirche ein Uffz., im Zivil evangelischer Pfarrer! – Während dieser Zeit waren wenigstens 2/3 im – Puff!! Ja, das sind Gegensätze. Aber über dies Thema kommen wir doch nicht überein. Einer meinte: Hast du denn schon überhaupt ein mal … dann kannst Du ja auch garnicht mitreden. – Aber wenn Du jetzt mal fällst, was hast Du dann vom Leben gehabt?!! Ich habe etwas davon gehabt! – Die aber wissen garnicht, was es heißen kann zu leben!!
Mit den Gründen wegen KOB ist das nicht so wild, wie Du meinst. In der Form wie unser Chef uns das sagte, wäre die normalste Antwort gewesen: Ich glaube es hat keinen Zweck, bis dahin ist der Krieg doch verloren. Der Meinung bin ich allerdings nicht. Die anderen sind jetzt im Lehrgang, sind dabei schon die Herren, speisen mit den Offizieren, kommen dann in den von uns ersehnten Einsatz und sind in 6-8 Monaten Leutnant oder – tot. So gerne ich das mitgemacht hätte, es wäre wirklich zu früh. Die Stellung, die ich im Augenblick machen soll, ist Hilfsbeobachter im Pz.Beobachtungwagen. Es steht aber schon wieder in Frage, weil ich noch nicht Uffz. bin und vor allem kein Ersatz an meiner Funkstelle da ist. – Reuther und Hiß liegen im Land der Träume Dänemark in der Rekrutenausbildung, Hiß als Pz. Jäger und Reuther als Inf. Funker, also Kollegen von mir.
Über Euer fleißiges Schreiben freue ich mich sehr, nur Ursula schweigt sich aus. Für heute alles Gute. Jetzt geht es an den Sonntagsnachmittagskaffee mit dem mitgebrachten Kuchen. Herzliche Grüße
Dein Ludwig

 

 



Ansicht des Briefes

 

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