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Brief (Transkript)

Adolf Treber an seine Familie am 11.10.1918 (3.2011.3956)

 

11.10.18



Meine Lieben,
seit der vorletzten Nacht bin ich nun also wieder in Stellung. Der Gegner ist sehr ruhig hier, fast zu ruhig, u. das Gelände garnicht so übel. Ich liege in einem kleinen Wald, in einem mächtig großen Stollen, wie ich noch keinen gesehen habe. 4 Ausgänge hat er u. über 50 Stufen führen herunter. Unangenehm ist natürlich, daß man daher kein Tageslicht hat, auch ist die Luft trotz den vielen Ausgänge doch etwas dumpf u. wenn man Feuer macht, sind die kleinen Seitengelasse gleich recht warm. Aber man friert wenigstens nicht nachts wie in den Baracken. Es ist nämlich nachts schon ziemlich kalt u. morgens meist gereift. Ich fühle mich ganz wohl dabei, wenn einem dieses primitive Höhlenleben auch auf die Dauer zum Halse heraushängt. Früher machte es mir garnichts aus, ich hatte sogar meinen Spaß dran, aber auf die Dauer bekommt man\'s doch satt u. seht sich wieder nach geordneten Verhältnissen u. Kultur. Man wird eben zu alt im Krieg u. die Lust zu Indianerspielen u. Abenteuern verliert sich. Aber trotzdem, wenn\'s uns immernoch so gut geht bis zum Kriegsende, will ich hochzufrieden sein. Ein Jahr wird er ja kaum mehr dauern, dazu wird überall viel zu viel vom Frieden gesprochen. Und da ertappe ich mich manchmal auf dem Gedanken, daß es doch möglich u. schön wäre seinen Kopf heil heraus zu bringen. Ich habe ja schon längst nimmer daran geglaubt, aber so eine stille Hoffnung regt sich doch immer wieder. Ob es allerdings gerade wünschenswert u. ein großes Glück ist nach dem Friedensschluß noch zu leben. Wenn nicht noch Zeichen u. Wunder geschehen – u. da gibt\'s ja heutzutage nichtsmehr – dann wird das Leben nach dem Krieg für einen Deutschen wenig Freudiges haben. So wenig wie die äußeren wollen mir die inneren Vorgänge gefallen; es wird sich später zeigen, was für einen Kurs wir steuern! Doch warum sollen wir uns jetzt schwere Gedanken machen, wir ändern ja doch nichts daran. Aber wenn es nicht so tief traurig wäre, man könnte oft lachen.
Na genug davon! Schreibt einmal wieder, mit der Post ist\'s eben sehr schlecht, man bekommt kaum die Zeitung regelmäßig.
Ich grüße Euch alle herzlich Euer Adolf.

 

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