Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Vater an Adolf Treber am 09.05.1918 (3.2011.3956)

 

Pirmasens 9. Mai 1918.



Lieber Adolf!
Es sind verschiedene Karten von Dir gekommen, ich bin froh, daß Du noch gesund und heil bist und hoffe auch, daß – während ich dieses hier schreibe – Du mein Paket durch den Infanteristen Müller-Brapelban[?] bereits erhalten hast. Mich hält seit 2-3 Tagen wieder der quälende Gedanke wegen Erwins Beförderung oder besser gesagt wegen der Zurücksetzung, der unverdienten Kränkung des armen Buben in Aufregung. Er ist nun im 3. Jahre Soldat, ist über 1 ¼ Jahre im Feld und hat es bei tadelloser Führung zum – Unteroffizier gebracht. Gustav Blättner ist knapp ein Jahr Soldat, wenige Monate im Felde, bei ihm in derselben Batterie und ist vorige Woche Unteroffizier geworden. Was ist das? In kürzerer Zeit – ich seh\' es kommen – wird Gustav Erwins Vorgesetzter und Erwin steht abwartend in Verzweiflung daneben. Glaubst Du jetzt noch, man müsse der Sache seinen Lauf lassen? Hier ist eine ganz gewöhnliche Mache im Spiel, die den armen Kerl seelisch schwer mitnehmen wird. Er machte mir verschiedentlich Andeutungen, daß er sich keiner Schuld bewußt und mir zu Hause mal die Sache näher erzählen wolle. Urlauber, die hier waren, erzählen es als empörend, wie der Hauptmann Erwin behandle. Meinst Du nun immer noch nicht, daß es Deinerseits geboten erscheint, da etwas zu tun. Du hast die Sache das letzte Mal mit einem Kaufmannslehrling verglichen und ich kann Dir heute sagen, es ist das Gleiche ob Kfms-Lehrling oder Offiz.Aspirant. Protektion bleibt Protektion und wer nicht von ihr begünstigt wird, kommt nicht vorwärts. Keiner, der vorwärts gekommen ist, kann wissen, wenn er nicht die sichtbaren Beweise der Protektion gehabt hat, ob er nicht heimlich Gönner gehabt u.s.w. So viel steht fest: Du mußt jetzt etwas tun und ich erkühne mich, Dir den Weg zu zeigen. Du sollst nicht an seinen Hauptmann schreiben: „Herr H. machen Sie meinen Bruder zum Offizier“ nein, sondern schreibe ihm, Du wolltest Dich über Erwins Verhalten erkundigen, weil er noch nicht vorwärts gekommen sei; also die Sache so deichseln, als ob Du in dem gegebenen Falle an irgend eine Schuld Erwins glaubst. Ich kann Dir nur sagen, daß es mir nicht um den „Offizier“ zu tun ist nur daß ich froh wäre, Euch beide wenn es sein muß als Gemeine zu Hause zu haben, aber das Gefühl für mich als Vater, wenn ich weiß, Erwin wird chikaniert, er leidet und kann sich nicht helfen. Es ist so ein Zustand wie damals als ihn der Prügelpädagoge Erb mit seinem Haß verfolgte. Ich weiß nicht, ob ich mich Dir genügend verständlich machen kann, aber ich meine dieses Gefühl des Vaters müßtest Du schon verstehen. Wenn ihm zu Hause so irgend ein Unrecht geschähe, so könnte man ihm mit Rat und Tat an Hand gehen, aber so steht er da draußen allein, all dem Unrecht preisgegeben und kann sich nicht helfen. Nun ist ihm am 2. Mai noch ein Pech passiert: In Ruhestellung ist er am Straßenbahngeleise hängen geblieben und hat den Fuß verstaucht; es muß nach seinem Schreiben schon ernster sein, da kann er nun erst recht wieder übergangen werden und wenn es für den Herrn Gef[?] nur ein Vorwand ist.
Also tue etwas in der Sache, es ist etwas Selbstverständliches und daß der Bruder für den Bruder eintritt nun allzuleicht zu begreifen. -
Ich grüße Dich herzlichst
Dein Vater.

 

top