Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Lutz Raumer an seine Eltern am 6.1.1944 (3.2002.7404)

 

Osten, den 6.1.44.


38/

Liebe Eltern!

Jetzt morgens um 3:00 muß man sich nun hinsetzen um wachen und die Zeit mit schreiben vertreiben. Jeder vernünftige und normale Mensch schläft doch zu dieser Zeit. Heute pfeift draussen ein Schneesturm, so daß man in wenigen Minuten zu einem Eiszapfen mit Beinen gefriert. Wenn Ihr mich so sehen könntet wie ich in dem Sturm am MG. stehe, Ihr würdet mich nicht wieder erkennen. Als Hosen habe ich an eine Unter-, eine wattierte Zwischen- und die Tuchhose, an den Füßen habe ich die Filzstiefel die in den 2 Stunden der Wache keine Kälte oder Schnee durchlassen, der Oberkörper ist bedeckt mit Hemd, Pullover, Pelzweste, Feldbluse und wattierter Jacke mit Zeltbahnüberhang. Das letzte ist die sog. Tarnbekleidung also aussen weiß und innen gemustert, sie kann gewendet werden. Über dem Kopf habe ich dann die Kapuze der letzten Jacke, einen Kopfschützer um den Hals einen um die Ohren und die Mütze auf. Um die Mütze ist noch ein Handtuch geschwungen, daß auch als Tarnung dienen soll (wenn es noch weiß ist). Wir sehen also aus wie die Partisanen laufen wir herum.
Die Verpflegung hat sich in den letzten Tagen etwas gebessert, so daß wir nicht klagen können. Meine Butterdose ist jetzt immer voll und ich lebe dabei nicht etwa sparsam damit. Man sagt mir hier nach ich esse wie ein Scheunendrescher, ich glaube das stimmt wohl auch. Ein Kommissbrot reicht für mich gerade einen Tag. Brot gibt es hier genug
Habt Ihr überhaupt schon von Horst Kolb etwas gehört?
Wenn man hier nicht ein reges Innenleben hat verblödet man vollkommen. Mit den Kameraden kann man sich wohl unterhalten aber um einmal über etwas vernünftiges zu reden, dabei reicht es bei den meisten nicht. Da ist es beim KOB-Lehrgang etwas anderes, dort sind zum größten Teil alles Schüler. Das soll nun kein Werben für den KOB-Lehrgg. sein, lediglich nur ein Vergleich zu uns. Dafür sind dort wieder mehr Angeber und Radfahrer. Radfahrer d.h. nach unten treten und nach oben ein krummer Buckel; solche werden gerade beim Kommiß gezüchtet.
Jetzt haben wir einen neuen Bunker bezogen. Wir müssen aber noch heizen, daß die Heide wackelt, denn der Frost und die Nässe sitzt noch in den Balken. Gestern sind nun die ganzen Gräben verschneit so daß wir heute wieder bis zur Bewusstlosigkeit schippen können. Wir müssen hier arbeiten wie die Strafkompanien um auf einen grünen Zweig zu kommen; man sagt ja auch nicht umsonst 1/3 Mensch 1/3 Vieh, das ist die Infantrie.
Nun Schluß für heute. Da es mir weiterhin so leidlich geht, grüsse und küsse ich Euch in baldiger Erwartung von etwas Post, recht herzlich
Lutz.

 

top