Brief (Transkript)
Johannes Wierich an seine Familie am 09.08.1915 (3.2009.0064)
Montag, den 9. Aug. 15.
4 57
Meine Lieben!
Es ist heiß. Ich sitze unter dem Dache unseres Hauses und schaue ab u. zu durch ein paar zerstückte Dachziegel hinüber zu den Franzmännern. Es ist nichts wahrzunehmen; man hört nichts, sieht nichts, und die Brücke liegt in der heißen Mittagssonnenglut. Ich schreibe nur, schreibe aber wie ein Arbeitstier. Zur Erfrischung habe ich mir meine Krätzchen voll Reinclauden mitheraufgeholt. Ein Kamerad hat sie heute Morgen aus dem Dorfe mitgebracht. Von gestern ab stehe ich jetzt täglich von 1-4 Nachmittags und 1-4 Nachts als Brückenposten.
Das Aussehen der Brücke zeigt Euch die beiliegende Skizze ungefähr. An dem gesprengten Brückenkopf stehen wir. Dort erhebt sich Brusthoch, wie zu sehen, auf beiden Seiten eine Mauer. Von oben gesehen, würde das folgendes Bild ergeben:
[Skizze Brückenkopf]
Die Mauern laufen nicht in gerader Linie, sondern sind nach außen im Bogen gebaut. Im Schutze dieser Bogen stehen wir (wo die Kreuzchen sind). Nur mit dem Kopf schauen wir über die Mauer hier und können das französ. Ufer beobachten.
Die ganze Brücke von 40 m lang, bis zum mittleren Pfeiler sind es 20 m. Von diesen 20 m sind 10 m gesprengt, sodaß die übrigen 10 m frei in der Luft stehen.
Der französische Nachtposten ist ebenso aufgestellt wie wir. Auf dem nachstehenden Teile der Brücke haben die Franzosen Stacheldraht kreuz und quer gespannt, sodaß sie sich selbst eigentlich den Weg versperrt haben; sie haben es getan, aus Angst, wir möchten herüberkommen.
Heute morgen bekam ich ein Paket von Maria u. Nr. 3 mit dem Kuchen; der gibt mal etwas Abwechslung bei dem Komißbrot. - Schickt mir 15-20 ordentliche Couverts.
Mit herzl Grüßen verbleibe
ich Euer
Johann
Ansicht des Briefes
Briefe aus diesem Konvolut: