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Brief (Transkript)

Johannes Wierich an seine Familie am 28.04.1915 (3.2009.0064)

 

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Tendrecourt, den 28.4.



Meine Lieben!
Nun will ich Euch heute etwas Genaueres über meinen neuen Aufenthaltsort berichten. Hier ist unsere Lage nicht so hervorragend wie in Bossévall, da wir in Massenquartieren liegen. Zu etwa 50 Mann bewohnen wir ein Haus, dessen Einwohner zu Beginn des Krieges geflohen sind. Das Haus ist noch neu, hat infolgedessen helle große Zimmer. Mit 4 anderen hause ich in einem Zimmer mit einem Tisch und einem Stuhl. Als Ersatz für ein Bett besitze ich glücklicherweise einen Bettsack mit Flocken, andere haben Matratzen und die meisten ein Lager auf Stroh. Ich esse auf der Fensterbank und sitze auf dem Tornister. So ist\'s am gemütlichsten. Morgens ½ 7 Uhr beginnt der Dienst; er dauert bis ½ 12 Uhr; Nachmittags sind wir von ½ 3 bis ½ 6 und von 7-8 beschäftigt. Wir arbeiten mit der hiesigen Pionierkompagnie gemeinsam: An einem Bergabhange ½ Stunde von hier werfen wir einen Schützengraben aus, so wie er im Felde angelegt wird. Jeder muß da ordentlich nach Kräften zugreifen. Axt, Beil und Säge, Hammer und Zange, Spaten und Kreuzhacke haben wir vom frühen Morgen bis zum Abend in den Händen. Die Arbeit ist sehr interessant und auch zum Aushalten. Man schwitzt viel, trotzdem jeder in Hemdsärmeln arbeitet. Heute habe ich bis Mittag im Walde gearbeitet, nämlich Holz gefällt. Es waren ziemlich dicke Stämme zum Bau von Drahthindernissen vor unserem Schützengraben. Den Nachmittag habe ich teils geholfen einen Laufgraben auswerfen, teils die ausgeworfene Erde in Säcken weggebracht.
Bei der vielen Arbeit könnte die Verpflegung etwas besser sein. Morgens und Abends gibt\'s Kaffee, Mittags abwechselnd Reis-, Erbsen-, Schnittbohnen-Kohlsuppe.
Fast die Hälfte von uns ist Lehrer. 4 Kollegen von Kempen sind hier.
Eier kosten pro Stück 10-12 Pfennig; die Milch kostet im Liter 16 Pfg, also billig; dafür verlangen die Leute für andere Waren, Butter, Käse, Chokolade, Zucker, Lebkuchen ungeheure Preise. So kostet der Zucker z. B. 80 Pfg, Butter 2,00 M.
Vergangene Woche war ich noch einmal in Issancourt und erfuhr, daß Jean aus Bonn dort in dem kleinen Nachbarort Rumel einquartiert ist. Es gelang mir jedoch nicht, ihn persönlich zu treffen. Er gehört zum III. Bataillon, in dem ich war, ehe ich zur Kriegsschule kam.
Vorgestern erhielt ich den Brief vom 22.4. und gestern 4 Pakete vom 24.4. Alles war noch gut erhalten. Wenn Ihr alle 14 Tage bis 3 Wochen 1 Dose Schuhfett schickt, könnt Ihr gleichzeitig immer eine Kerze zufügen, Licht wird uns nämlich nicht geliefert.
Alles, was ich in den Briefen mitschicke, wird doch sicher gut aufgehoben.
Ich schließe mit herzl. Grüßen und verbleibe Euer
Johann

 

 



Ansicht des Briefes

 

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