Brief (Transkript)
Paul Rockstroh an seine Ehefrau am 14.01.1916 (3.2011.2334)
Russland, 14.1.16.
I.
Liebes Grete u. liebe Kinder!
Ich schreib Dir gestern einen Brief, worin ich einen Weg für Urlaub erwähnte. Leider erhielten wir gestern Abend statt der erwarteten Packetpost nur Briefe u. zw. bekam ich Deinen Brief vom 4. [...]. Unsere Offiziere haben wegen des langen Ausbleibens der Post schon Beschwerde eingereicht, hoffentlich nutzt es was. Ich habe auch nur noch Fett zu 2 x Schmieren u. muß trockenen Hanf[?] schieben, wenn ich nicht bald etwas kriege. Das soll natürlich kein Vorwurf für Dich sein, denn Du kannst
II.
ja nichts dafür.
Heute haben wir in unserer Bude geheizt, nachdem wir uns einen Ofen gebaut haben. Der würde in Deutschland allerdings nicht polizeilich abgenommen werden, denn er besteht aus einigen übereinandergesetzten Lehmziegeln, die wir aber Mangels Lehm nicht verschmieren konnten. Obenauf haben wir einen alten zerbrochenen eisernen Topf gesetzt und hinein ein gußeisernes Rohr. Vorher haben wir im Fenster eine Scheibe kaput geschmissen, letztere mit einem Brett vernagelt
III.
und hindurch das Rohr geführt. Eine auseinandergenommene Konservenbüchse ist die Ofenplatte. Natürlich weist dieser Kunstbau viele Löcher u. Ritzen auf u. jedes Mal, wenn wir anheizen, raucht es so sehr, daß wir die Bude verlassen müssen u. die Türe offen lassen müssen. Ist das Feuer aber recht im Gange, so wird die Bude doch warm u. jetzt beim Schreiben dieses Briefes ist es so heiß, daß wir nur die Hose anhaben, während draußen der kalte Ostwind weht. Außerdem liege ich an der Erde, denn ein Tisch ist hier Luxus.
IV.
Daß Paul Richter durchaus reklamiert werden will, begreife ich nicht. Ich würde dem lieben Gott sehr dankbar sein, wenn ich nur garnisonsdienstfähig wäre u. im Lande bleiben könnte. Der müßte erst mal das durchmachen, was wir schon erlebt haben, dann würde ich seine Sehnsucht nach Hause begreiflich finden. Außerdem sollte er ja Beamter im Auslande werden, sind diese hochfliegenden Pläne schon verflogen? Es ist eben der alte Adam, der aus ihm spricht. Der wird nicht anders.
Liebes Gretel, es wäre doch gut, wenn Du mir wieder ein Paar leichte Schuhe schicken würdest. Wir werden jedenfalls noch längere Zeit hier bleiben u. wenn man mal aus der Bude gehen will, kann man nicht immer die Stiefel anziehen. Ich nehme jetzt immer schon die mir gesandten Filzsocken dazu, solange es draußen trocken ist.
Im Übrigen herrscht in unserer Bude eine ganz schöne Stimmung. Wir haben in unserer Gruppe 4 junge Kerle mit und die lassen den Mut nicht sinken. Immer rammeln sie sich u. machen sonstige Dummheiten. Da schließt man sich dann auch nicht aus.
Euch allen herzliche Grüße
von Eurem Papa.
Ansicht des Briefes
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