Göttingen, 15.1.1989

Liebe Friedel!

Vielen Dank für Deine guten Wünsche zu den schon lange vergangenen Festtagen. Dank auch für Deine beiden Briefe in denen Du mir den Empfang der Rätsel und des kleinen Päckchens für Dich bestätigst. Es ist immer gut, wenn man erfährt, daß etwas angekommen ist, was man verschickt hat. Es freut mich ganz besonders, daß sich Deine Gesundheit weiterhin stabilisiert hat. Nun weißt Du ja, wie Du Dich schützen kannst und wirst es dementsprechend koordinieren. Der Kern ist ja gesund, nur die äußeren Umstände lassen eben manchmal zu wünschen übrig. Alles Gute weiterhin und noch ein paar Pfund dazu……
In diesen Tagen ist das Wetter so, wie um Ostern herum es sein sollte. Man kann nur gespannt sein, was es noch geben wird. Kommt der Winter noch oder fällt er aus? Nur gut, daß wir nicht daran drehen können.
Hier geht alles so seinen Gang, viel Arbeit wie immer und alles was damit zu tun hat, auch viel Neues und Organisatorisches.
Ich genieße meine wenige Freizeit. Im Theater sah ich: Don Carlos, der Inhalt war mir total entfallen, aber es ist immer wieder dasselbe Thema: Liebe, Haß und Eifersucht. Aufgefallen ist mir das spartanische Bühnenbild und der Marquisvon Posa hätte ruhig etwas temperamentvoller spielen können.
Göttingen und die Französische Revolution war das Thema eines Vortrages vom Geschichtsverein aus, den ich mir aber leider nicht anhören konnte.
Was Deine gesellschaftlichen Verpflichtungen betrifft, so mußt Du natürlich selbst entscheiden, was Du verkraften kannst und wie es möglich ist, etwas abzugeben. Keinesfalls sollst Du Dich verkriechen in Dein Schneckenhaus, und neben Stricken gibt es noch eine Menge anderes, was man anstellen kann.
Für mich und hier ist Einkaufen oder auch nur Schauen immer ein besonderes Erlebnis, dafür fahre ich auch oft in eine andere Stadt um diesen Flair zu studieren. Man muß ja nicht kaufen.

Es grüßt Dich
Charlotte