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Brief (Transkript)

Richard H. aus Waiblingen an Alfred W. nach Leipzig am 17.03.1948

 

W. 17.3.48

Lieber Alfred, liebe Ruth u. Hannelore!

Nun habe ich Euch so lange warten lassen. Aber wir sind ja leidensgenossen mit unserer Zeit und damit ist dazu alles gesagt. Ich bestätige jedenfalls gern das Paket mit den Heften und den Brief vom 16.2. Von den Brosch. bin ich hauptsächl. an solchen grundsätzlicher Art interessiert und konnte auch das wesentlichste bereits hier erwerben. Die aktuelle Politik verfolge ich laufend in der Tagespresse und der „Neuen Welt“. Das reicht aus. Unter anderem konnte ich sogar Franz Mehrings Preußische Geschichte angeln. Hab für die Hefte vielen Dank. Gleichfalls für den Brief. Schinde Dich nicht mit dem Briefschreiben, wenn Du wichtigeres zu tun hast. Das verstehe ich schon. Mir geht es mit dem Lernen wie Dir. Ich war 4 Wochen an einer Motorschule in Eßlingen. Ich konnte tägl. mit der Bahn hin uns zurück. Eine reine Ami – Angelegenheit. Die Lehrer waren fachlich gut, aber politisch z. Teil bedenklich, denn es sind z. Teil alte Wehrmachtsinspektoren. Natürlich habe ich für meine jetzige Tätigkeit manches lernen können. Aber so wie an Deiner Schule war es eben nicht.
Schade, daß Du in Dresden so Pech hattest. Die beiden Vögel haben sich gewiß auch geärgert, daß sie Dich nicht sprechen konnten. Es gefällt mir sehr, daß Du immerhin gutes gehört hast, besonders von Hans. [?] ist noch nicht einmal die schlechteste Beschäftigung und es ist so schade, daß dabei die Frauen so wenig abbekommen. Glücklicherweise sind hier überhaupt keine Trümmer. Dazu muß man schon nach Stuttgart fahren. Aber mir gefällt es deshalb dort nie und ich kehre immer schnell wieder um, wenn ich schon mal hin mußte. Sei mit dem Kino nicht so hart. Wir gehen auch sehr selten und sahen zuletzt einen engl. Film: The wicked Lady der nicht schlecht war. War nun Rudi H. bei Dir? Ich hoffe, daß sich ein solcher Besuch lohnt und ich auch etwas davon profitiere, indem Einer von Euch schreibt. Ich stand mehrmals auf den Bahnhöfen vor den Messeplakaten. Aber diese Fahrt ist noch ein schöner Wunsch. Wir haben von Eurem Versorgungsplan einstweilen das Dekadensystem übernommen. Ab 1. April soll es mehr Fleisch u. Brot geben. R. schrieb, daß er bei der Ernteerfassungskommission arbeitet. Aber ich soll ihm genau wie Fritz noch antworten: Bernburg (19) [Straße und Hausnummer]. Fritz arbeitete als Klempner in seinem Beruf. An Otto D. habe ich auch geschrieben. Ebenso an Heini H., der eine Karte schrieb. Sepp G. hat die Gesellenprüfung im Metallhandwerk gemacht und möchte auch die Meisterprüfung machen. Ich habe in dieser Sache für ihn an Erich E. geschrieben. Der hat mir allerdings nicht geantwortet. Mich interessiert der allgemein theoretische Stoff Deiner Meisterprüfung. Vielleicht kannst Du mir später gedruckte Lehrbücher überlassen. Zum Nachrichten hören komme ich zunächst mangels Apparat noch immer nicht. Das ist sehr schmerzlich, weil man sich dann den Sender auswählen könnte. Wir müssen halt auf den Apparat hoffen. Versprochen ist er uns ja. Genauso warten wir noch auf den längst fälligen Kochherd. Dagegen haben wir von der Wiedergutmachungsstelle ein sehr schönes neues Schlafzimmer bekommen. Worüber wir uns sehr freuen. Erna war zwei Wochen im Krankenhaus mit Ischias. Sie muß jetzt noch alle 2 Tage hin zur Kurzwellenbestrahlung. Bei mir in der Arbeit gibt es nichts neues. Ich habe 1,10 Rh die Std. Vorgestern war Ludwig S. mit seinem Vater und mit Toni H. auf der Durchreise zu Besuch. Sie blieben über Nacht. Toni hat seine Flucht geschildert und wir haben viel gelacht. Von K.s habe ich längere Zeit nichts gehört. Aber wir rechnen täglich, daß sie auch einmal auf der Durchreise bei uns aufkreuzen.
In der Partei ist leider etwas Flaute. Wir hatten eine Versammlung für die Einheit und wollten 2 Delegierte nach Berlin senden. Aber die bekamen von der Militärregierung nicht den Reisepaß. Das ist ja auch verständlich, wenn man an die Tschechei denkt.
Wie soll ich die Frage nach meinem literarischen Wunsch auffassen? Ich wünsch mir schon manches. Aber Du kannst nicht bei Deinem Zeit- und dem allgemeinen Buchmangel hinter meinen Wünschen herrennen. Teile mir mal mit was der große Duden kostet und ob er in neuerer Ausgabe zu haben ist. Mein Bruder als Schriftsetzer brauchte ihn für den Beruf. Ich errichte mir wieder langsam eine Bibliothek und gehe immer in den Parteiverlag in Stuttgart.
Grüße Paul H. und wer Dir sonst noch an Bekannten begegnet.
Bis Aufwiederschreiben bleiben wir mit den herzlichsten Grüßen und besten Wünschen

Eure
Richard, Erna u. Bärbel.

 

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