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Brief (Transkript)

Hans-Karl Schmidt an seine Eltern, am 15.10.1944 (3.2002.0251)

 

Polen, 15.10.44 (1800)



Ihr Lieben!

Heute – oder vielmehr gestern abend, als ich schon schlief – erreichten mich Eure Briefe vom 7.10. Ich danke Euch herzlich dafür, besonders für die beiden Büchlein und den Marschkompaß, der auch völlig heil an kam. – Ich machte bei schönem, sonnigen Wetter einen Panzernahbekämpfungslehrgang in Busko mit. (die Nachrichtenabteilung hat mich und noch 5 andere, die aber keine Robs waren, dorthin geschickt). Am Freitag mittag sind wir losgetrampt, um 1500 waren wir in Busko. Um die Zeit auszunützen oder besser gesagt totzuschlagen, sind wir ins Kino gegangen. Heinz Rühmann spielte den Mustergatten. Es war ein herzerfrischender Blödsinn. Geschlafen haben wir in der Nacht in einer Scheune. Meine beiden Decken, die Zeltbahn und den Mantel hatte ich gottseidank mitgenommen. Die feuchte Herbstnacht machte mir da nichts aus. (Jetzt sind gerade 2 reizende (!) Polenmädchen neben mir und versuchen die deutsche Sprache ein wenig zu enträtseln. Über das Kapitel „Volk der Polen“ muß ich Euch auch noch berichten). Wecken war wie gewöhnlich, Essen dagegen schon schlechter, weil nur Brot und Schmalz vorhanden war. Verpflegung für 2 Tage waren für je 2 Mann 2 Eier ausgegeben worden, Ihr könnt Euch vorstellen, daß so eine zerbrechliche Sache sehr schnell im Bauch verschwindet. Außerdem reizt sie sehr zum Appetit an, wenn keine andere Verpflegung geboten werden kann. Um 0730 begann der theoretische Unterricht. Er dauerte bis Mittag. Dann kam das Praktische, Handgranaten, Sprengladungen, Nebelkörper und „Panzerfaust“, das wurde dann ausprobiert. Ich habe eine kleine Panzerfaust auf einen 30 m auf einen alten T 34 geschossen. Die 85 mm starke Panzerung des Turmes wird von den Dingern glatt durchschlagen, obwohl nur sehr wenig Sprengstoff darin enthalten ist. Nachmittags 1600 Uhr war alles beendet. Es wurde wieder zurückgetrampt und mit Einbruch der Dunkelheit waren wir wieder in unserer Häuslichkeit. Dort war es doch am besten, weil die Hausfrau schon Kartoffeln gemacht hatte, die zum Mittagessen, das man uns aufbewahrt hatte, prächtig schmeckten. Von 1900 gestern abend bis heute morgen 0900 habe ich geschlafen. Richtig wach bin ich dann erst gegen Abend, wenn sonst die Schlafenszeit wäre. Heute nacht habe ich von 2200 – 2400 Uhr Wache. Vielleicht macht sich dann das Ausgeschlafensein vorteilhaft bemerkbar. –
Der liebe Vater hat wieder einmal eine seiner vielen Krankheiten. Daß mir irgendeine Stelle an meinem Körper wehtut, kommt auch einmal vor, aber deshalb komme ich nicht mit all meinen Kameraden in Streit.
Und wie ich ihn von früher kenne, wird die Arbeit nicht forscher als gewöhnlich betrieben. Stimmt es oder habe ich Recht? Der Fliegeralarm ist wohl allein Schuld daran. Die stündlichen Luftlagemeldungen hören wir hier ja auch und danach ist über Deutschland ja immer etwas los. Wenn es irgendwie gelingen sollte, die feindliche Luftüberlegenheit zu brechen, dann wäre der Krieg sozusagen beendet. Wenn es gelänge, könnte sich vieles ändern. Ich zweifle aber sehr daran, - Ihr äußertet in Eurem letzten Brief auch, noch mehr über polnische Sitten und Gebräuche zu erfahren. Ihr habt früher bei den Polen auch wohl die Unterwürfigkeit und Diensteifrigkeit festgestellt. Heute sind sie wohl schon längst verschwunden, weil sie dadurch dem deutschen Volk und der Rüstung mehr schaden. Aber hier, wo noch die Landbevölkerung ist und wo deutsche Soldaten sind, tritt alles noch zutage. Unsere Hausfrau spendiert jeden Morgen und Abend Milch, ist aufmerksam beim Tischabräumen, Geschirrabwaschen und Bereitstellen von Waschwasser. Was ihr Mann und der älteste Sohn allerdings treiben, das bleibt mir immer ein Rätsel. Überhaupt die Polen, also die Männer: sie laufen sonntags und werktags in Hosen und Jacken herum, die nur noch aus Flicken bestehen. Das Rauchen gehört außerdem zur Männlichkeit, je früher einer damit anfängt, desto höher steht er, glaube ich, im Ansehen. Der Jüngste in der Familie, bei der ich mit 2 anderen Kameraden Quartier bezogen haben, ist höchstens 3 Jahre alt, dabei aber so verwöhnt, wie es schlimmer nicht sein kann. Er braucht kaum einmal den Mund aufmachen, dann hat er auch schon alles. Und als der Papa einmal rauchte, bettelte er so lange, bis der 3Käsehoch die Zigarette im Mündchen hatte und richtiggehend daran sog und paffte. Daran seht Ihr auch, wie die Männer eingeschätzt werden. Die Frauen machen die Hausarbeit und sind darum meist auch kräftiger gebaut. Wenn Soldaten längere Zeit im Orte liegen, dann verändert sich das Aussehen der jungen Weiblichkeit auch im guten Sinne. Mit Lumpen gehen wir nun nicht herum, und das macht vielleicht Eindruck auf sie und um nun komischerweise Verkehr mit einem deutschen Soldaten aufzunehmen, obwohl im Dorf an Polen doch genug Auswahl vorhanden ist, machen sie sich nach Ihrer Art schmuck. Die meisten zeigen es zwar nicht offen; aber am Aussehen merkt man doch, was nun eigentlich gespielt wird. Vor den Partisanen muß man dann aber doch auf der Hut sein. Ein Polen wollen alle aber doch wieder, weil sie dann das beste Leben haben. Wir haben, wegen der Größe des Landes und der Vielzahl der Arbeit noch nicht genug an den überholten Sitten des Landes und Volkes geändert. Bis alles von der deutschen Führung durchdrungen und beherrscht wird, darüber vergeht noch eine lange Zeit. Um die Landschaft voll und ganz auszunutzen, müßte hier auch ein Kolchossystem eingeführt werden. Der Kleinbauer schafft nicht genug, ihm fehlt das Kapital, um Düngemittel und Maschinen anzuschaffen. Der Boden würde noch größere Erträge hervorbringen. Das war wohl auch unsere Wollen, nur der Krieg und die russische Offensive kamen dazwischen. –
Ich hoffe, daß der Geburtstag in Ruhe verlaufen ist und meine Ankunft in 3 Monaten bestimmt schon vonstatten gegangen ist.
Euer Hanskarl.

Zu Weihnachten kann ich vielleicht auch schon da sein. Man weiß nie, was schon kommen kann..

 

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