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Brief (Transkript)

Rolf G. aus West-Berlin an Eberhard P. nach Karl-Marx-Stadt im Mai 1978

 

Ihr Lieben!
Uns, Sonny und Rolf, hat hier in Berlin eine fieberhafte Erkältung erwischt. So haben wir während der vielen Veranstaltungen, an denen wir teilnehmen, etwas Zeit, auf den vergangenen Sonntag einzugehen. Karla’s angehender Schwiegervater und seine Tochter feierten in verschiedenen familiären Veranstaltungen im Familien- und Freundeskreis 3 Tage lang ihren 75. bzw. 35. Geburtstag. Daher hatten wir schon, weil anfangs verbindlich zugesagt, Schwierigkeiten bei dem Verschieben unseres Treffs in Ost-Berlin.
In der Nacht von Sonnabend auf Sonntag kamen wir von einem gemeinsamen Abendessen (ca 35 Pers.) erst spät zurück, so daß es am morgen des 30.04. bereits 9.30 Uhr war, als wir uns zu Euch auf den Weg machten. Das war, wie unsere Erfahrung lehrte, für das vereinbarte Treffen immer noch in der Zeit, weil wir für einen normalen Grenzübergang in der Bornholmer Str. mit einer relativ kurzen Abfertigung rechneten. Wir wurden aber eines besseren belehrt, als wir an die Grenze kamen, ca. 9.45 Uhr. Man schleuste in 8 Bahnen einige hundert Wagen hinein; hinaus kamen auf der anderen Seite relativ wenig. Die Grenzer dort durchsuchten jeden Wagen bis auf den letzten Winkel; für uns selbst dort ungewohnt und bei diesem Andrang die reinste Schikane. Wir hatten eine Reihe erwischt, die für ca. 35m über 3 Stunden (im Sitzen!) zum Vorrücken bis zur ersten Abfertigung (Paß, Visagebühren, Straßenbenutzungsgebühren, Zwangsumtausch) brauchte, als diese Formalitäten erledigt waren, mußten wir den Kameraden vom Zoll fast über die Füße fahren, um uns auf sie, die zu fünft zusammenstanden und sich munter unterhielten, aufmerksam zu machen. Daraufhin sah einer gelangweilt zu uns herüber und winkte uns, nachdem ich ihn auf die 3 Stunden Wartezeit hingewiesen hatte, nur müde weiter, ohne den Wagen überhaupt von innen anzusehen.
Um 13.05 Uhr waren wir an der vereinbarten Stelle; ich bekam sogar noch einen Parkplatz auf dem Mittelstreifen Unter den Linden vor dem Opern-Cafe. Wir hofften immer noch mindestens einen „Schmiere-Steher“ von Euch zu sehen, gingen in das Opern-Cafe, -Restaurant und – Grillroom, warteten vor der Tür, gingen mehrmals zum Linden-Corso-Cafe, zum „Palazzo Prozzi“, zum Ehrenmal, gaben um 15.00 Uhr bei Kaffee und Kuchen im Opern-Café unser Zwangs-Geld aus, holten aus letzter Verzweiflung bei einem Imbiß für die letzten Groschen 4 Bouletten und beobachteten vom Wagen aus, ob wir Euch nicht doch noch irgendwo sehen würden. Um 16.10 fuhren wir wieder los, Richtung Grenze. Dort erwartete uns wieder ein Ärgernis. Für 4 Wagen, es war am Übergang noch einigermaßen ruhig, brauchte man 1 ganze Stunde. Ein sehr muffiger und alles andere als freundlicher Grenzer nahm jeden Wagen auseinander. Der kleine Koffer mit unseren für Euch bestimmten Mitbringseln interessierte ihn nicht, man suchte wohl routinemäßig Flüchtlinge, die sich im Wagen irgendwo versteckt halten konnten, das ging bis zum Sondieren des Benzintanks, in den man einen langen Draht steckte. Die ganze Art und Weise der Behandlung und der Durchsuchung verrieten wieder eindeutig Schikane. Wir haben schon einige Grenzen passiert, aber so etwas bei Ein- und Ausreise ist empörend und unser beiderlei Beziehungen nicht gerade zuträglich. Man sollte auch bei Euch, soweit angebracht, darüber reden!
Es ist nur gut, daß wir für den Transit-Weg nach West-Berlin besondere Verträge haben, deshalb geht die Abfertigung an diesen Grenzen (relativ) schnell.
Wir bedauern sehr, daß es bei den ganzen Geburtswehen mit diesem Treffen wieder nicht geklappt hat, für ein drittes Mal fehlt uns bei dem ganzen Aufwand der Mut. So bleibt uns weiterhin nur der Brief- und Paketweg. Schade!
Wir bleiben noch bis zum 7.5. in Berlin für einige Veranstaltungen, die am Sonnabend mit einem Ball und am Sonntag mit einem gemeinsamen Frühschoppen, an dem sich Karla verloben wird, enden.
Die Bescheinigung der VHS (war wirklich nicht nötig!) und unsere Belege über die Einreise am Sonntag in die DDR fügen wir bei. Verzeiht bitte das Geschmiere, aber ich bin noch nicht ganz wieder auf dem Damm!

Herzliche Grüße
Euer Rolf
und Sonny
u. Karla

 

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