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Brief (Transkript)

Elmar Lieb an seine Eltern am 8.11.1941 (3.2002.7255)

 

Am 8.11.41.



Meine Lieben!

Nachdem uns mehrere Tage die Feldpost versagt geblieben ist, da schlechte Wege ihr ein Durchkommen unmöglich machten, öffneten sich plötzlich am 5.11. abends ihre Säcke u. wir wurden über alles Erwarten reich bedacht.
Um es vorweg zu nehmen:
Ich erhielt von Euch 15 Päckchen u. Mamas Briefe vom 18.9. u. 29.9. dazu mehrfach Post von Margot. Von den erwähnten Päckchen habe ich folgende geöffnet:
Nr. 769a v. 17.9. , Nr. 799a v 27.9., Nr. 799b v. 28.9., Nr. 799c v. 29.9., Nr. 800a v. 1.10., Nr. 800c v. 3.10., Nr. 800d v. 4.10. u. Nr. 801n v. 6.10. Habt für alles recht herzlichen Dank. Die restlichen Päckchen öffne ich bei ihrem Verzehr. Als bisheriger Inhalt fanden sich Röstlinge, Bonbons, Glühkohlen für die Handwärmer (die ich vorerst zu meiner Freude noch nicht benötige) u. außer anderen guten Sachen wie die Schokoladen bzw. Kakaopulver, für welche letzteres auch die anderen Offz. der Kompanie Dank wissen, läßt sich doch daraus ein recht respektables gemeinschaftliches Getränk zubereiten.
Der von Mama in den Zeilen vom 18.9 vorgeschlagenen Schlafsack wäre unzweckmäßig u. unhandlicher, hinderlicher Ballast. Ich habe ausreichend Decken, dazu Zeltbahn, Mantel u. Übermantel. Das Zelt dient uns schon mehrere Wochen nicht mehr als Quartier. Wir haben uns heizbare Unterkünfte gesucht. Dagegen hat mir der Ohrenschützer schon recht gute Dienste geleistet.
Die dem Brief beigelegte Rechnung der Dorn’schen vom 15.9. hat ihre Richtigkeit. Ich lege sie zur Begleichung bei. Im Brief vom 29.9. schreibt Mama v. Major Schumm; empfehlt mich ihm bitte, wenn Ihr wieder mit ihm zusammen kommt. Für die an Euch gerichtete beigeschlossene Karte von Lt. Gust. Schwarz danke ich. Wir begegneten uns damals auf der Straße zwischen Smolensk u. Rosslawl. Ich fuhr nach Süden, er marschierte nach Norden.
Denselben Zeilen, denen Papa einen Gruß anschloß, für welchen ich ihm besonders danke, waren noch ein Brief Margots u. ihrer Mutter nach der Rückkehr nach Rgbg. beigefügt.
Durch einen Obstfm. der vor einigen Wochen mit uns zusammen arbeitenden RAD-Gruppe hörte ich von OArbf. Heermann, der damals in Nowgorod Sswersk eingesetzt war, wo ich ebenfalls schon weilte.
Vom 21.9. datiert ein Brief Hans Hoffmanns aus einem afrikanischen Lazarett. Das Klima hat ihn recht mitgenommen. Dazu gesellte sich eine Flechte am rechten Bein, die seine Lazarettbehandlung erforderlich machte, dort zog er sich noch eine Angina zu. Ich habe ihm heute geschrieben und ihn auch in Eurem Namen gegrüßt. Hoffentlich ist er inzwischen wieder hergestellt. Er ist ein feiner Kerl u. Kamerad. Dort im Lazarett traf er als Sanitätssoldat den jüngeren Bruder von Ottl Graugner [?].
Gust. Gerster habe ich vor zwei bis 3 Wochen gesehen. Seine Einheit lag in letzter Zeit räumlich vor uns etwas gestreut. Da die damaligen schlechten Straßenverhältnisse ein Vorwärtskommen erschwerten, bezw. ausschlossen.
Euren Kartengruß v. 8.10. aus München mit Grüßen v. Tante Hedwig u. Onkel Pitt, sowie Musiklehrer Müller u. Frau habe ich dankend erhalten.
In unserem gegenwärtigen Quartier, das ja sogar elektrisches Licht aufweist – zwar etwas trübes, bei dem sich aber schreiben läßt, fand ich ich auch einen spielbaren Flügel u. ein abgegriffenes Notenheft. Nach den ersten Takten kam mir das Thema sehr vertraut vor. Ich las die kyrillische Überschrift genauer: Es waren Stücke deutscher Meister: Ein Präludium Bachs, eine Gavotte Händels, Sonaten oder Auszüge solcher von Mozart, Beethoven und Haydn.
Heute Nachmittag erreichte uns nun abermals ein ansehnlicher Packen Post. Ich danke Euch für 7 Päckchen, die ich jedoch noch nicht geöffnet habe u. für Mamas Brief v 19.10. Drückt Fanny zum Tod ihres Bruders mein Beileid aus. Daß sich ein Zusammentreffen mit Herrn v. Racknitz gab, freut mich für Euch wie für ihn. Ich halte ihn für einen fabelhaften Menschen und bin ihm sehr dankbar. Das es Hans mit dem Quartier so gut getroffen hat, freut mich für ihn. Ich selbst habe letztes Jahr in Frankreich ebenso gut gewohnt. Heute habe ich ihm einen Kartengruß gesandt.
Daß für den Okt. meine Überweisung 3 RM. weniger als im Vormonat ausweist, rührt vielleicht von dem WHW-Abzug. Ich werde mich beim Rechnungsführer dieserhalb befragen.
Heute erhielt ich auch 2 Zeitschriften für […] mit der beiliegenden Rechung der Dorn’schen v. 25.9.41. Sie stimmt. Ich lege sie für Euch bei. Daß sie die verschiedenen Nummern an Euch sandte ist richtig. Sammelt sie mir bitte sorgfältig, da ich großen Wert auf diese Zeitschrift lege.
Ihr macht Euch allenthalben Sorge um den bevorstehenden Winter. Aber unsere Kameraden haben schon im hohen Norden Nordnorwegens u. 1939/40 in den Gräben im Vorfeld des Westwalls überwintert. Und im Weltkrieg gabs 4 Jahre hintereinander nicht nur eine Winterfront.
Also, keine Sorge.
Zur Zeit da Mama den Brief am 19.9. schrieb war ich in Orel.
Aus dem Vorstehenden erseht Ihr, daß es uns gut geht. Ich schließe mit den besten Wünschen u. recht herzlichen Grüßen für Euch alle

Euer dankbarer Elmar.

Nachsatz: Meine treue Taschenuhr ist nun für hiesige Verhältnisse unheilbar erkrankt. Papa hat mir das ausgezeichnete Ding Ende 1939 besorgt. Nun habe ich hier noch den Taschenwecker in meiner Bekleidungskiste, der mit jedoch zu heikel ist. Kann mir vielleicht Papa nochmals eine solche verschaffen? Es sollte aber nichts teures, sondern eine rechte [?] robuste 5 RM. - Uhr sein. Andernfalls bitte ich Euch, meine Armbanduhr zu übersenden.
Mit herzlichem Dank
Euer Elmar.

 

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