Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Karl Nünnighoff an seine Eltern am 9.1.1942 (3.2008.1388)

 

Rußland, den 9.1.42


Nr. 30

Liebe Eltern, Willi und Lene!

Ich schrieb Euch im letzten Brief, daß der Wagen wieder lazarettfähig ist und ich am 6.1. bzw. 7.1. wieder zur Werkstatt gezogen werden sollte. Leider bin ich heute noch hier in der Stadt und warte auf die Zugmaschine, habe seitdem noch nicht wieder Post von Euch erhalten. Ein Wagen ist wohl hier her gekommen und hat uns unsere Verpflegung gebracht hatte allerdings auch einige Briefe für meinen Beifahrer mitgebracht, wie der Fahrer erklärte, sei für mich noch keine Post da. Nun habe ich seit dem 26. 12 oder 27.12. keine Nachricht mehr von Euch, da sollte ich doch fast denken, es sei etwas passiert, aber die Sache wird sich ja klären, wenn ich in der Werkstatt bin, dort wird man mir meine Post nachschicken. Das letzte Paket mit Spekulazius, das Du Mutter auf einer Karte ankündigtest, habe ich erhalten, was ich ja auch schon mal bestätigte. Der „Herr“ dieses Hauses, indem ich mich einquartiert habe, ist ein 20jähriger Junge, einen Vater hat er nicht mehr und seine Mutter haben die Russen zusammen mit seiner Schwester verschleppt, nun lebt er mit einer Flüchtlingsfamilie hier zusammen, die er angenommen hat. Wenn ich ehrlich sein soll, muß ich sagen, daß ich es noch nicht bereut habe, daß ich schon 4 Tage hier sitze, denn jeden Abend hat er seine Freunde und die schönsten Mädels dieser Stadt eingeladen, mit denen ich mich auch dann gut, ich möchte sagen sehr gut verstanden habe. Wir haben gesungen und erzählt, einige Mädels konnte deutsch, dann haben wir Spiele gemacht bis in die Nacht hinein, es war richtig nett. Ein Junge sagte mir gestern Abend, ich möchte doch, wenn ich zurückkomme aus der Werkstatt noch einmal hier ankommen, dann kämen alle Mädels noch einmal wieder. Jeden Abend saßen wir dann mit 7 Mädels und 5 Jungens alle im Alter von 18 - 22 Jahren zusammen. Jeder erzählte etwas, jeder wußte wie der eine oder andere hieß und wir erzählten dann, wie schön es in Deutschland ist, gegenüber hier in Rußland. So habe ich mich dann beliebt gemacht in diesem frohen Kreise. Am erste Tage waren die Mädels etwas ängstlich vor uns, da man ihnen ja erzählt hatte, wir würden überall hausen wie die Wilden, aber jetzt ist das Zusammensein schon eine Selbstverständlichkeit geworden. Wenn ich heute Abend noch hier bin, kommen sie wieder alle hierher, dann wird wieder erzählt und gesungen bei Gitarren und Ballalaikamusik, das hört sich ganz fabelhaft an, es fehlte nur noch ein Radio , dann wäre alles da. So nun habe ich Euch wieder meine Erlebnisse erzählt, damit möchte ich nun für heute zum Schluß kommen, in der Hoffnung, daß Ihr noch alle gesund und munter seid, was ich von mir sagen kann. Seid nun für heute alle recht herzlich gegrüßt von Eurem Sohn Karl. Gute Nacht.

 

top