Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Wilhelm Heinrich Wock an eine Bekannte am 11.01.1940 (3.2002.7259)

 

d.11.I.40.



Liebe Elfriede!

Für Deine lieben Briefe und Päckchen meinen Dank. Sie haben mich sehr gefreut bzw. gut gemundet. Eigentlich wollte ich in diesen Tagen auf Urlaub gefahren sein. Aber der andere Leutnant wurde auf seinem Urlaub in Königsberg krank und ist bis heute noch nicht zurück und mein Chef stürzte vorgestern Nacht mit dem Pferd und da habe ich den ganzen Krempel auf dem Hals, kann also nicht fahren. Tja, so geht der Urlaub wohl futsch. Aber wir wollen die Hoffnung nicht sinken lassen.
Weihnachten hatte ich auch ein Bäumchen. Mein Chef hatte sich nämlich eins von Ostpreußen schicken lassen und es mir vermacht, da er auf Urlaub fuhr. Na, sonst hätte ich mir eben einen besorgt. Das ist doch klar!
Heilig Abend nun ritt ich mit meinem Peterle in die Wälder. –
Die Tannen sind leicht überschneit. Überall hat sich Rauhreif gebildet. Und über allem strahlt der Mond mit seinem silbernen Licht und blitzt und glitzert in märchenhafter Pracht in dem schweigenden Wald. Man kommt in eine unwirkliche Stimmung und spürt so recht den Reiz eines solchen Ritts. Immer tiefer geht es in den Wald hinein ganz gefangen von der zauberhaften Schönheit der Natur. Bald verliere ich jede Richtung, aber ich bin ja zeitlos glücklich. Befinde ich mich schon auf dem Wege ins Märchenland?
Nach einiger Zeit sehe ich mich in einem schmalen Pfad. Zunächst geht es durch einen kleinen Bach. Und er raunt und rinnt: „Reite weiter! Reiter weiter!" ... dann steigt der Weg, die Bäume rücken immer näher die Zweige streifen mich und scheinen nach mir zu haschen. Schlingpflanzen klammern sich an und wollen mich zurückhalten. Ganz leise nur noch aber raunt in der Tiefe der Bach: „Reite weiter!“ Vorwärts, den Berg hinan schritt mein Roß.
Plötzlich – die Bäume treten zurück und vor mir auf des Berges Kuppe liegt eine Burg aus längst vergangene Zeiten. Ich reite näher. Jeden Augenblick vermeine ich das Horn des Wächters vom Turm zu hören. Majestätisch ragen die Zinnen und Türme in die sternenbesäte Nacht. Der Mond umschmeichelt mit silbernen Glanz die alten Mauern und lächelt weise. Und – für heute herzliche Grüße auch Deinen Eltern
Dein Will

 

top