Brief (Transkript)
Ehefrau an Ernst Rasch am 23.10.1918 (3.2002.9052)
Coblenz M. b. Weg 29 I 23.10.1918.
Mittwoch
Mein Lieb. Nun sitze ich wie beabsichtigt im Kinderzimmer aber ob die nötige Ruhe kommt. Es ist so durch Berta noch nicht aus Ems zurück, so muß ich gleich Ilse Bett und 10 Uhr Frühstück / zweites zurecht machen. Sitze hier im roten Habit, auch noch ungewaschen. Einliegender Zettel von Link[?] wird Dich vielleicht interessieren, gestern im Casino sah ich übrigens auch den neuen Link[?], lange nicht so gutaussehend. Tesma[?] sagte er sei es, etwa so ein verkniffenes Gesicht wie Kosch. Also seit ich ausführlich schrieb Montag Mittag nach dem Flieger Alarm (Bomben haben sie keine abgeworfen) es wird von Flugblättern gefaselt. Gretchen war doch den Tag keine Rüben holen. Brachte 2 Eier mit, besser als nichts – so mußte ich aber die Kinder versehen während Berta das Essen 1 Krametsvogel richtete. Kaum saß ich bei Tisch (wir essen jetzt wieder im Eßzimmer) für die Mahlzeiten geht es so ungeheizt – da kam Antonia, die ist ja wenn sie mal da ist sehr seßhaft, wir studierten dh. sie laß die Note an Wilson vor, ich glaube nun gar nicht mehr an Frieden, wundere mich eigentlich wie eigentlich gelassen man alles aufnimmt. Man ist eben gar nicht mehr so Aufnahmefähig für dererlei wenigstens. Hoffnungen sind und vergehn. Gott geb\'s nicht auch die daß wir uns glücklich nach dem Feldzug auf dieser Erde wiedersehen sollen. Während Antonia noch laß (sie hatte am Morgen ihren Mann abfahren lassen müssen, er ist in Gebweiler so glaube ich; kam Frau Kogell[?], war den Tag ganz nett. Ich hatte bei Schaaf etwas Quittenbrod (wie ich auch Dir (Montag) schickte gekauft und schmeckte es ihr bei etwas Wein sehr lecker anscheinend. Ich hatte als Mutterarbeit Bändchen durch die Kinderjäckchen zu ziehen. Samstag hatte ich mir auf der Sparkasse 100 M geholt wollte nun am Montag wieder 50 holen 100 gab es nichts. Höchstbetrag der überhaupt gegeben wurde 75 M. So entnahm ich Seligmann 200 M, weil ich durch Berta Seife und Schokolade bestellt habe, Schokolade weil zu dem Spottpreis von 10 M das Kilo, Seife als Kernseife immer noch billiger wie hier, das Paket soll als Nachnahme kommen diese Woche für 140 M die Seife.
Mein Contobuch stimmt aber mit Schreck sah ich die Höhe der Zahlen, ich will es Dir am Ende des Monats so Gott will dann mal aufschreiben auf Heller und Pfennig. Bekam gestern von Frau Mohr mal wieder 1 [...] Fett und etwas, bin sehr froh darüber es ist noch viel billiger als bei Breuer. Max Minner[?] läßt nichts von sich hören auch Ad nicht.
Entschuldige das verschnittene Papier heute aber es lag von Aberglauben-Artikeln[?] noch so da ich wollte es mal aufbrauchen. Bin es ja Gott sei Dank noch etwas. Heute bringt mir Berta aus Ems meine gemachte Uhr (Armbanduhr) mit
Kostenpunkt durch Quittung bewiesen 15 M. Eben zeigt sie 13 ½ vor 12 Uhr. Gott geb sie geht noch bei einem frohen Zusammensein von uns zwei.
Montag früh war ich mit Dora noch so in der Stadt, sie fuhr den Abend wieder nach Berlin, sehn tut sie ihren Mann oft, neulich erst hier, jetzt am 24ten schon wieder dienstlich in Berlin. Er hätte gesagt unsere Lage sei durch die Regentage äußerlich begünstigt, wir hätten unsere Stellungen wieder befestigen können, der Feind mit seinen Geschützen nicht nach. Ich wünsche nichts als Dich gesund heim und mich am Leben und dann den Frieden der Völker zum genießen. Kinder selbstredend mit dabei so gesund und vergnügt.
Gestern früh bei Frau Mohr und Herrn Baron, bist Du nicht baff, daß er mit bei Grootes war? Von Eu[?] hatte Herr Baron kürzlich Nachricht, von den anderen besonders Tisch[?] noch gar nichts. Hans eine Karte. Nach Tisch gestern expedierte ich Ilse erst mal mit ihren Rollschuhen nach unten
dan[?] legte ich mich etwas auf das Ohr, nicht mit langem Erfolg denn bald kam Hilde. Kaffee – d. h. Milch. Ich rief denn so bei Frau Teßma an wollte sie dann besuchen, nur ließ sie sagen sie sei gerade mit ihrem Mann auf dem Weg in die Stadt, ob ich mich mit ihnen bei Peitz (Porzellan-Geschäft) treffen wollte 5 ¼, glücklich halb 6 erschienen sie, er strahlend geht heute auf ein Kommando auf einen Schießplatz, wenn ich recht verstand Oberhof in Bayern. Für etwas so wie 14 Tage. Wollte auch Hans anklingeln, eigentlich passen die beiden nicht so besonders gut zusammen. Ich machte denn einige Besorgungen mit der Frau Teßmar, es ging gleich ab ins Casino, wir sollten zu einem Püllchen Wein hinkommen nach den Besorgungen, taten so es dann auch aßen noch ein Rauchfleischschnittchen mit Butter. Ich brachte denn Frau Teßmar bis an die Schiffbrücke und ging dann nun langsam zu unserem Treffpunkt von Frau von Carny[?] Bruder Klaeber[?] und mir, am alten Franziskaner. Essen war gestern ziemlich mies dort, Krametsvögel aber roh zubereitet, gute Bohnensuppe. La La[?] Käse. Ich hatte vorher bei uns angerufen und gehört es seien 4 Briefe von meinem Pappa da, da drängte es mich natürlich doppelt nach Hause, ich benutzte die Electrische 927 von Rhein kommend, dann laß ich und schrieb Dir noch kurz ein Kartenbriefchen, warf es noch jemand nach unten der es hoffentlich an der Bahn eingeworfen hat, faul von Memme! Sollte mich freuen für mein Peppechen an die Bahn gehen zu dürfen mein Briefchen einstecken. Heute früh gegen ½ 9 auf, jetzt ist es ¼ -1 gleich. Teßmar muß doch ziemlich speculieren, ich mit mit Nummern ja nicht sehr maßgebend, glaube aber nichts Falsches zu sagen wenn ich behaupte er habe in 8 Tagen 6000 M verloren. ist doch kein Witz, dabei leben sie gut, er hat ihr aus Düseldorf Praliniée mitgebracht wie er selbst sagt unbezahlbar, denn hörte es von Essen nichts wie Krametsvögel Hähnchen, dh. Suppenhuhn. […] will heute abend wie sie sagte hier her kommen und ich wollte sie herüber begleiten, hoffe im Herzenswinkel sie bittet mich noch zu Tisch, denn bei uns werden keine Leckerbissen fällig sein. So jetzt ist es schon bald 5, nach Tisch gepennt, da lief Ilse unten Rollschuh. Die Mädchen sind beide heute nicht recht im Lot, ich hoffe mir es wird nicht die spanische Krankheit (Grippe) hoffe zu Gott auch sehr sie ist nicht bei Euch, muß furchtbar sein, die kräftigsten Menschen werden in einigen Tage erledigt. Im Hauptquartier soll sie schrecklich wüten ein Verwandter von Carnys Hinsingen[?] 1 ½ Jahr verheiratet ist dort daran gestorben. Carl Meyer (Ahens[?]) liegt schwer daran, sie schickten heute und wollten Milch geliehen haben. Sohn und Mutter Heuchmann liegen auch damit zu Bett. Einliegend der Brief Sibylle v. Wurms sie fährt glaube ich andauernd zwischen Harn[?] und der Hin und Herfahrt und der deutschen […] Heimat. Marcard sieht da sehr nett, im Schmuck der Waffen aus, ich hätte gern auch von Dir mal ein nettes Bild, habe noch gar keins mit den roten Hosen. Gibt es da denn keinen Photograph? So einen Gruß werde ich ihm wohl schwerlich bestellt haben. Ad wird wohl sonst nichts zu reden gewußt haben. Meint er es aus Jux mit dem Tilen[?]? Es soll eine Berliner Redensart sein „Haben Sie sich schon nach einer Civil Stelle umgesehn? Was soll heißen „Übrigens meine [?] restlose Anerkennung! Hoffentlich geht alles nach Wunsch. Meint er wegen des [durchgestrichen] Aberglauben Nachsatzes so Deine Stellung oder Kinderkriegen? Hilde steht im Stall und wirft alle Sachen heraus so [?] wofür ich sie gleich in Strafe werde nehmen müssen. Ilse ist mit Fritz\'gen Hirsch unten. So nun an Deine lang ersehnten Briefe so vom 14 fehlt noch so der eine so Du jeden Tag geschrieben, ich meine sonst hättest Du es erwähnt in den Folgenden. Wo ist denn das XVIII Res. Korps jetzt? noch rechts von Euch, weit ab?
Ist Oblt. Bender dasselbe wie Ad? Ist Essen dort besser als bei […]? Hast Du noch gar nicht angetippt von Urlaub? Meinst auch wenn alles so bliebe nicht so mal 2 Tage im November, so fein wäre es könnte es sein, versuchen so würde ich es denn wenn Erfolg nicht gar zu fraglich oder bestimmt nicht besser gesagt. Aber Du mußt es ja am besten beurteilen und daß Du unter guten Umständen gern zu Deiner Mamma kommst weiß ich. Wenn Du die Bücher aus hast schicke sie mal per Gelegenheit.
Bei Kuchen steht Dein Sinn nach Nr 2
steht er auch bei Kind[?], wenn alles gut bleibt und geht auf Nr. 3 ? ? ? ? ? ? ?
Jetzt habe ich Kartoffel mit Sauce verspeist so nachher soll noch ein Käsebrod an die Reihe kommen. Brod so zum rösten im Ofen. […] zum Abendgang habe ich Frau Teßmar über die Brücke nach Hause gebracht, bekam bei Ihr noch lecker Pralinieé, kein Abendbrod viel müssen sie noch haben. Ich der Küche sitzt Berta mit ihrem Freund, mir lieber als im Kinderzimmer, Gretchen hat sich ins Bett gelegt, sie hatte auch Fieber, Hoffentlich keine schwere Grippe. Werde ihr nachher Aspirin einverleiben, weiß gar nicht welchen [durchgestrichen] [...] nehmen, lieber doch Vorsicht als Nachsicht. Jetzt gehe ich wieder an Deine lieben Briefe. Mit dem tapfer halten, will ich besorgen wenn wir gesund am Leben bleiben mein Aberglauben ja guter Schatz. Mit Angabe v. A. so hast Du es fein gemacht. Habe es gleich gestern abend gefunden. Du hast großes Vertrauen in mich als pflichteifrig im Schreiben das ist recht. Mit diesem Bogen mache ich heute aber Schluß sonst kommst Du gar nicht durch. (Frau Schröder) Urlaubssperre ist wohl bis 28ten oder noch verlängert? An Bequemlichkeiten so des Friedens denke ich nie nur an lokl.[?] Zusammensein von uns, will denn gern plagen[?] und Vergnügen die Geld erfordern in die 2te Reihe rücken.
Glaubst so Du es? Na! So ganz mit Gottfried Keller kann ich nicht sprechen, bist böse. Wenn man den Ausgang wüßte blos Trennung wenn auch noch so auf 1-2 Jahre will ich für\'s Vaterland ertragen. Doch Du kennst mich ja nun. Als Mann / männlich verstehe ich Dich ja . Denk mal besiegt sind wir so nicht, ich kann es nicht finden gegen solch eine Übermacht ist eben nicht anzukommen, um mit Herrn Baron zu sprechen, viele Hunde sind des Hasen Tod. Wie ist es jetzt, wo ist der ganze hohe Stab, verhust[?] Du mit oder wieder in einem extra Häuschen, hat sich Bilinski eigentlich zu der Frage mir was zu schicken gelöst als er hier war stellte er es als sicher hin. Ist jetzt Wohnzimmer gleichzeitig Büro, beschreibe mal Mobilar, Bilder Aufstellung u.s.w. Memme ist doch manchmal dumm! Böse Memme!
Gell oder nicht? Da sind noch 2 Käsestullen verzehrt, der Freund von Berta nimmt diesen Brief jetzt mit. Einlage von Bausch oder heißt der nicht so Max füge so ich heute schon bei. Er soll mir auch mal eine Kuhkeule[?] schicken oder noch lieber Speck – Fett, Butter – Eier. Was heiset daß er nicht nach Deinem Willen gehandelt hat (Frau Schröder 12 2x 2d 4d 5a 6d 7d 8d).
Bleib gesund mein lieber Schatz
Dies will denn auch gern Deine
Mamma
Ansicht des Briefes
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