Essen, den 26. April 1917.

Mein lieber Julius.
Nun ist es doch wieder ein Mädchen, das war doch eine bittere Enttäuschung für mich. Ich hatte so große Hoffnungen gehabt. Auf einen Stammhalter wirst Du und Deine Familie verzichten müssen, ich habe jetzt genug. Ich habe lange und viel leiden müssen. In der Nacht vom Sonntag auf Montag 2 Uhr fingen die Schmerzen an und erst um 1010 kam unsere Ilse zur Welt. So furchtbar und so lange war es bei den andern nicht. Und dabei kam ich mir so verlassen vor. Julius ich muß Dir doch einen großen Vorwurf machen, daß Du nicht in diesen schweren Stunden bei mir warst, wo es doch in Deiner Macht lag. Ich werde es nie vergessen können. Ich fühle mich noch sehr entkräftigt u. meine Knochen tun mir noch überall weh. Die Geburt hat eine Hebamme gemacht. Flöhr kam wieder gleich nach her. Die Wärterin erst am Dienstag Nachmittag. Frau Oelze und Frau Vehring haben sich meiner u. der Kinder sehr angenommen. Ilse wiegt 6 Pf. 100 g und ist auch ein Füchschen. Man wird von einem Lauthschen Fuchsenstall reden können. Erica war höchsterfreut u. gleich mit einem Schwesterchen zufrieden, Margret hatte erst Angst vor dem kleinen Wesen, als sie aber auf den Gedanken kam, es sei eine Puppe, war sie auch recht glücklich darüber.
Von Pauls gegenüber bekam ich die erste Blume die alte Mutter will mir auch noch einen Kuchen backen. Fremde Leute denken doch mehr an mich u. versuchen es mir leichter zu machen.
Die Wärterin sieht schon sehr alt aus, so daß ich erst einen großen Schrecken bekam. Sie scheint aber sehr nett zu sein und in vielen Teilen angenehmer als Frl. W., so daß ich mit dem Tausch einstweilen ganz zufrieden bin.
Ich werde furchtbar von Nachwehen geplagt. Schade, daß man nicht mehr Milch bekommt, ich entbehre sie doch sehr jetzt. Den beiden Kindern wird sie fast ganz entzogen meinetwegen. Es sind traurige Zeiten.
Dich grüßt und küßt herzlichst
Deine Hedwig.
Gruß Margret.