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Brief (Transkript)

Julius Lauth an seine Ehefrau am 19.05.1915 (3.2012.1801)

 

Tongern, den 19. Mai 1915



Liebe Hedwig!
Heute mittag lese ich in der Zeitung die Rede des Reichskanzlers. Es ist doch ein Skandal, daß Italien auf so weitgehende Zugeständnisse Oestreichs nicht längst eingegangen ist. Die Hoffnung auf friedliche Einigung mit Italien ist danach so schwach, daß man kaum darauf noch rechnen kann. Sollte Italien annehmen, nun dann können wir uns umsomehr freuen und dann magst Du beruhigt fahren. Aber auch so, mein Liebling, will ich Dir nicht entgegensein. Wenn Du trotz der ungeheuren Spannung und Erwartung, was bei einer ungünstigen Entscheidung Italiens alles noch kommen mag, doch lieber fährst, dann reise. Meine besten Wünsche sollen Dich und die Kinder begleiten. Aber versichere Dich durch Rücksprache bei den Leuten oben, daß sie Acht geben auf die Wohnung. Nimm es mir nicht übel, daß ich gestern nicht gleich voll und ganz Deinem Plan zugestimmt habe. Es kam für mich überraschend. Und der Gedanke, daß Du mit den Kindern in unserem Heim bist, in dem wir so manche glückliche Stunde verlebt haben, ist mir lieber. Ich kann mir Euch so viel besser vorstellen.
Teile mir Deine Abreise u. neue Adresse sofort mit und schreibe mir auch in Rothenfelde fleißig. Sind die 14 Tage wohl genug? Geld brauchst Du wohl nicht soviel mitzunehmen. Ich könnte Dir ja am 1. etwas nach dort schicken. Aber das überlasse ich Dir. -
Heute abend ist nun wieder das übliche Liebesmahl mit Musik. Nach meinem Gefühl hätte man es heute gerade wohl mal ausfallen lassen können. Ich bin überhaupt nicht zu froher Stimmung mehr aufgelegt.
Louis gratuliere ich, aber ich verstehe doch nicht recht, weshalb er nicht bis nach dem Kriege gewartet hat.
Wenn Italien mitmacht, haben wir noch viel Leute nötig. Diese Ungewißheit ist greulich. Meine Nerven gehen dabei ganz herunter. -
Ich denke soviel an Dich und unsere Kinder. Ich freue mich, daß Erika sich so gut leiten läßt. Hoffentlich bleibt sie so gut und hoffentlich wird die kleine Margarete ebenso.
Schade, daß der Vater nicht dabei sein kann. wir wollen hoffen und bitten, daß die Trennung bald ein Ende haben möge.
Herzlichst umarmt Dich und die Kinder in treuer Liebe
Dein Julius.

 

 



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