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Brief (Transkript)

Friedrich Spemann an seine Mutter am 09.11.1918 (3.2002.9143)

 

M. - - - 9.11.18.



Mein liebes Mutterle!
Gestern abend bekam ich Deine Briefe vom 27. u. 30., für die ich Dir vielmals danke. Das eine von den 3 geratenen Worten ist richtig, da wo die Buchstabenzahl mit den Strichen übereinstimmt. Meine ganze Division, d. h. die Reste davon sind heraus. Was weiter mit uns geschieht, weiß ich nicht, darfs jedenfalls nicht schreiben. Im schwäbischen Merkur kam in den letzten Tagen ein ausführlicher Bericht von unseren Erlebnissen. Vielleicht kanns Tante Charlotte Euch schicken – ich konnt ihn hier nimmer auftreiben, habs nur bei Kameraden gesehen. - Ich bin auch etwas erkältet – man ist das verweichlichte Leben in der Stube nimmer gewöhnt. - Die Cigaretten hab ich doch schon beantwortet, gelt? Sie waren sehr gut.
- Was es mit Deutschland werden soll, fragen wir uns Offiziere auch oft, wenn wir so beisammen sind. Deshalb ist ja der Urlaub auch gesperrt, um die Truppe von den in Deutschland scheints augenblicklich herrschenden Strömungen fernzuhalten. Schon der Gedanke an einen kommenden Waffenstillstand begann eine Zeit lang verhängnißvoll zu wirken. Da kann man nur durch gutes Beispiel u. gute Kameradschaft mit den Leuten dagegen wirken. Es ist eine recht verantwortungsvolle Aufgabe heut zu tage Offizier zu sein, wo man selber nicht weiß, was von dem wahr ist, was einem gesagt wird. Wir haben aber gemerkt, daß der Württemberger immer noch einer der besten Soldaten ist – furchtlos und treu wie Gold gegen seinen Vorgesetzten, wenn er ihn zu behandeln versteht u. in seiner Pflicht. - Heut abend geh ich in den Fidelio. Ich freu mich riesig drauf! -
Von Dorle bekam ich jetzt einen sehr eilig geschriebenen Brief. Das was Du von ihr findest, mag ich auch an ihr, u. es hat mir gerade deshalb leid getan, daß ich in den wirklich sehr schweren vergangenen Wochen gar nichts von ihr bekam, weil einem gerad so ein lieber, verstehender Gruß, wie ich ihn oft von Euch bekam, sehr viel zum guten Mut u. zum Zusammenreißen aller Kraft beitragen kann. - Süddeutschland braucht unbesorgt sein – da muß es eine ganz tolle Sauerei geben, eh es den Gegnern gelingt tiefer in deutsches Gebiet zu dringen – Jetzt muß ich mich schön machen, also, gut Nacht, Mutterle!
Dein tr. Bub.

 

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