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Brief (Transkript)

Karl Stein an seine Ehefrau am 29.06.1918 (3.2002.9127)

 

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Auf Feldwache, d. 29.6.18.



Liebes Friedelchen!
Jetzt liegen wir nun schon 4 Tage ganz vorn, und hat bis jetzt alles gut gegangen, na hoffentlich kommen wir alle heil zurück. Denn das Ablösen ist das Schlimmste, die ganze Nacht hindurch wird das Hintergelände unter Granatfeuer gehalten, wegen anmarschierende Truppen. Da wird dann immer in kleine Trupps gegangen 10-15 Mann damit die Verluste nicht so groß sind. Die 9 Komp ging ½ Std vor uns, bekam einen Volltreffer 4 Mann tot u 8 verwundet. Nun ist es hier vorn fürchterlich gefährlich wegen Gas. Die Engl. haben eine neue Sorte, wer da einen Atemzug macht ist tot. Nun haben wir die ganze Nacht die Maske auf, denn unsere Maske schützt davor. Schlafen darf keiner, wer schläft ist verloren, das Batl welches wir ablösten hat 80 Mann Verluste gehabt alle beim Schlafen durch Gas überrascht. Es hat sich jeder ein kleines Loch in der Erde gebuddelt, da liegen wir drinn wie die Maulwürfe, denn bei Tage darf sich kein Mensch sehen lassen, wegen Flieger, die schwirren hier zu hunderten herum. Nachts zwischen 12 – 1 Uhr wird Essen u Kaffe geholt, aus Morlankurt[?], das ist ein Dorf, welches im März noch bewohnt war, aber jetzt in Grund u Boden geschossen ist, in einen tiefen Keller wird gekocht, auch das Dorf wird die ganze Nacht unter Feuer gehalten, u rennen dann immer einzelne Leute hin u sollen essen, und ist es ein Wunder wenn sie alle heil zurück kommen, na ich gehe nicht hin, und wenn ich garnichts kriege, dann wird noch einmal öfter Marmelade gegessen. Denn morgens, mittags, abends giebts Stulle mit Marmelade, das einem das Zeug aus dem Halse raus hängt, kannst Du Dir denken, aber was soll man machen, wenn man nicht verhungern will. Vielleicht kannst Du mir mal ein Stückchen Speck schicken, solltest Du nichts mehr haben, sehe doch zu ob Du nicht irgend was kaufen kannst, von dem Gelde, was ich geschickt habe, aber gieb das Paket persönlich auf der Post ab, sonst kriege ich es doch nicht. Ich glaube es ist heute Sonntag u sehr schönes Wetter, wenn es dort auch so ist, wirst Du wohl ein bischen Geschäft machen, u ich liege im Erdloch u schaue den Wolken nach, die ziehen alle nach Westen können Dir keine Grüße bringen.
Herzl. Gruß u. Kuß dein Karl.

 

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