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Brief (Transkript)

Ehefrau an Ernst Rasch am 20.10.1918 (3.2002.9052)

 

Sonntag Vormitt 20.10.1918. M. B. W. 29 I



Mein Lieb.
Sitze wieder diesmal mit Hilde allein im Kinderzimmer, Ilse habe ich ins Bett befördert. Herr Baron hat mir beim Kaffee Gesellschaft geleistet, ist eben fort, hatte einen Brief von Eu[?] auch vom 13ten, ich teilte ihm auch das allgemeine aus Deinen Briefen mit. Er ist jetzt immer sehr liebenswürdig, wenn es sonst nichts böses auf sich hat vor dem in Aussicht stehenden Geburtstag
[durchgestrichen] Aberglauben
mehrmals angenehmeres Gefühl als
[durchgestrichen] Aberglauben
Gegenteil. Gestern ging ich Aberglauben / dann doch noch zu Frau Maret hin
bekam noch ganz leckeres Abendessen. Sardinen u Öl mit Brod und Klösen[?] Butter Wurst, Salat Kartoffel doch ich konnte nicht mehr weil zu Hause schon den Krammetsvogel mit Kartoffeln verspeist hatte. Ich denke an unsere Verlobungszeit wo wir doch oft abends Krammetsvögel uns machen ließen. 2 hängen noch in der Speisekammer, entweder für heute abend oder morgen Mittag einen und den anderen morgen zu Abend. Nun will ich mal wieder auf Deine Briefe weiter eingehn, sah auch gestern Abend, daß ich es noch nicht auf so[?] den vom 8ten getan hatte. Gell Pflaumengläser sind lecker, leider nicht mehr toll viel. Wenn ich nicht irre 6 Gläser und 2 große wohl zu 5 [...]. Ißt Du gern Quitten? Quittenfleisch das haben [...] sehr lecker ich werde Dir wenn ich nächten mal in die Stadt gehe von dort ein kleines Päckchen schicken. So Hilde ist mit Berta heraus gegangen, d. h. aus dem Zimmer, eben meinte Berta so sie bekäme die spanische Krankh. was so sehr wenig angenehm wäre bes. wenn ich es noch bekäme. Man ließt allendhalben jetzt von Vorfällen davon. Frau Maret nannte es Hungertyphus oder auch Lungenpest. Ja vom Frieden da könnte man jeden Tag Neues schreiben, so ich meine es gäbe wohl nicht in ferner Zeit Frieden, mich kann und ärgern und wenn daran ich denke könnte ich rasend werden was noch alles passieren kann und wird, bis es so ist, sie sollten doch wenigstens Waffenstillstand machen. Gott behüte und noch weiter so. Wenn jetzt Dir oder mir noch was geschehen wird bitter hart. Was denkt man den bei Euch über [...] die Kriegslage? Mir scheint sie müssen nachgeben sonst wären sie nicht schon so weit gegangen doch gegen den Willen vieler; Wie ich allerdings sage oder die zu Hause beim warmen Herd sitzen zB. Auch Davidsons, über die ich mich immer ärgern muß. Auch Papa ist immer ziemlich geladen über die wenig entgegenkommende Art von August. Neulich bewieß er sie bei einem Anliegen von Tante Marie, was diese an Papa gerichtet hatte.
[durchgestrichen] Aberglauben
Inzwischen war Dora ja mit ihrer Schwester Ina hier. Böttger hatte auch gesagt es käme wohl wenn auch nicht so schnell zum Frieden. Nun auch entschiede es sich schon wo seine Friedensgarnison hinkäme, sie meinte Wiesbaden. Jetzt kommt er nach Königstein Höchst glaube ich. Wer ist Oblt. Border? Ich lese von Frau[?] Mennia[?] gliehen[?], die Flucht der Beate Hoyermann“, ganz spannend geschrieben. Das ist wirklich doch ein Vorteil vor den Kriegsgetrauten die Sorglosigkeit mit der man Hochzeit-Reise und alles Schöne genießen konnte, harmlos restlos glücklich. Ich bin glücklich beinahe kindlich gewesen; Du[?] auch Brautzeit und Ehe bis zum Krieg, gell. Wenn es doch noch mal ganz wie früher würde. Es wird entweder gar nicht mehr so schön oder noch viel schöner weil wir eben reifer sind. An Ilse habe ich oft schon Spaß, auch an Hilde wenn auch nicht in dem Maaße, die kleine ist ein ziemlicher Dickkopf, wenn sie den Willen nicht bekommt, heult sehr und trampelt sie und geht was [durchgestrichen] Aberglauben witzig aussieht rück [durchgestrichen] [durchgestrichen] [durchgestrichen] wärts.
Affe alles lade ich auf Frau Schröder. Du schreibt, mein erster aus XIV [?] A. M.[?] [durchgestrichen] gerichteter von 7ten, ich schrieb aber gleich am 3ten spätestens 4ten aus XIV A M. Sind die nicht angelangt? Ob die Braut von Mitscherlich gleich in Umständen weiß ich nicht, so schroff[?] weiß es ja auch niemand. Mitscherlich hätte ihr auch wohl geholfen. Heute kam Post hatte gehofft die Stockung sei nun alle. Bin mal gespannt auf morgen.
Das Gedicht kann ich nichts bes. finden ganz schön in der Strophe. Als Überschrift in Deinem Brief vom 13ten steht S. R. Ich nehme an es heißt „Sains Richanment“ stimmt das? Meine aber auch Du hättest mir geschrieben südwestlich von P. x. Und wenn ich mich nicht täusche ist dies doch südostlich, muß in Deinem Brief noch mal nachschauen. Wo mögt ihr jetzt sein? Wenn als am Leben jetzt und auch weiter. Meinst Du nicht nach dieser Sperre einige Tage abkommen zu können so tu es dann nur, man soll nehmen was man kriegt. Dienstag in 14 Tagen soll schon die Sander kommen, sie läßt gar nichts von sich hören, was mich wundert. Ich meine jetzt auch weniger Leben zu spüren, Frau Maret meinte es sei wenn der Kopf sich ins Becken eingestellt hat.
Der Brief von Dir der vor mir liegt ist von heute vor 1 Woche geschrieben, auch um die Mittagszeit Du schreibt 3 30 Nachm. Das wird es auch jetzt sein. Ich mache mich bald fertig um zu Grootes zu stiefeln, was ich heute abend mache weiß ich noch nicht, denke bei Grootes wird 6- ½ 7 Schluß sein, dann wird Herr Baron den Drang nach dem Casino kriegen. Werde mich von den Kindern vielleicht durch die Rheinanlagen hinbringen lassen.
Avesnes habe ich auf der Karte nicht gefunden wohl Etréaupont
Im Bericht bes. im französischen sind heute viele Orte in Eurer Nähe genannt, wie Sery-les-Mézières und nordöstlich wie ich meine Sogal stimmt denn dies als Front von Euch? Eben ruft Gertrud Nebel an, ich soll heute abend zu ihnen kommen sie führe morgen weg nach Stettin wir wollten noch ein Kartenspiel harmloser Natur spielen. Gibt es bei Euch täglich Nachtisch?
Bleib sund ich muß mich anziehn Deine Mamma.

 

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