Brief (Transkript)

Gottlieb Wilke an seine Cousine Auguste Rolle am 8.7.1849 (3.2015.335)

 

Oettigheim bei Rastatt 8/7. [18]49

Liebe Cousine !

Deinem Wunsche gemäß habe ich mich entschlossen Dir
das nöthige von unsern jetzigen Verhältniß mitzutheilen.
Seit unsern Abmarsch von Aschersleben bis hierher
haben wir viel müssen ausstehen, denn die Marsch
Direction war bei der großen Hitze unter erschwe=
renden Umständen auszuführen, viele Wehrmänner
sind unterwegs erkrankt und einige gestorben, ich bin
aber gesund und wohlbehalten bis jetzt von allen Anfech=
tungen davon gekom̅en, bis jetzt sind wir schon 14 Tage
im Biwouac und liegen vor der Vestung Rastatt, im
Großh.[erzogtum] Baden, welche binnen einigen Tagen von unserer
Artillerie einbombardirt wird, denn in selbiger Vestung
halten sich die Freischärler (militärischer Freiwilligenverband)
auf welche von uns verfolgt und aufgerieben werden. Schon zwei Treffen
(Kämpfe) haben
wir geliefert, der Verlust der Toden und Blessirten (Verwundete)
ist nicht bedeutend, das Aschersleber Bataillon wird
4 – 6. Tode haben und 12 – 16. Blessirtes „angebliche Sum̅e“.
Der Anblick der Toden Freischärlern auf dem Schlachtfelde
liegend war nicht der beste, denn manche konnten
weder leben noch sterben, einige waren so verstüm̅elt
das einen ein Grausen anwandelte bei ihren Anblick.

Noch einen Punckt haben wir zu überstehen. Die Erstür=
mung der Vestung Rastatt, nach Vollendung derselben
wird die Landwehr so fort entlassen werden, so ich
gesund davon kom̅e, werde ich Euch bald durch
meinen Besuch beehren. Die jetzigen Strapatzen
sind sehr angreifend, und man hat bemerkbar an körper=
licher Stärke abgenom̅en, die Kost auf dem Felde ist geringe,
die Unordnung, das unregelmäßige Leben an welches man
nicht gewöhnt wirkt gewaltig auf die Gesundheit, so das
man sich nicht wundern darf, wenn einige Cam̅eraden
krank und ins Lazarett gebracht werden, ich danke Gott,
das ich bis jetzt gesund und munter erhalten, und er/ mag mich
auch fernerhin gesund erhalten das ich Euch und die mei=
nigen gesund und wohl antreffe, doch hiervon abgebrochen
ein andermal mehr davon und hoffentlich eine mündliche
Unterredung. Ich hätte schon eher geschrieben aber die
Zeit in jetzigen Verhältniß ist zu kostbar, und die Gelegen=
heit paßte niemals, auch konnte ich bis jetzt nichts neues
schreiben. Du wirst die Güte haben, und mir gefälligst sofort
wieder Nachricht ertheilen, den Brief läßt Du von der
Ortsbehörde, oder Bürgermeister stempeln, dann auf die
Post gegeben, und so geht er Porto frei bis an Ort u[nd] Stelle.

Grüße Deine Mutter und Vater H.[errn] Detzner von mir,
In der Erwartung das Du alles beobachten und besorgen
wirst grüßet freundschaftlich

auch einen Gruß an Deine Schwester
Johanne und ihren lieben Man.

Dein
Cousin
G. Wilke.

 

top